Modernismus, eine Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche Tendenzen und Bemühungen zunächst um 1900, aus dem berechtigten Wunsch, die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens den Zeitgenossen verständlich zu vermitteln und das Gespräch mit modernen Wissenschaften und Anschauungen zu suchen. Praktische Themen und Reformvorschläge waren damit verbunden (Kirchenreform im Sinn von Demokratisierung und »Aufwertung« der »Laien«, besserer Priesterausbildung, Liturgiereform, Eindämmung des römischen Zentralismus usw.). Verwandte Bestrebungen (»Reformkatholizismus«, »Amerikanismus« gegen Ende des 19. Jh.) waren früher entstanden. Schwerpunktthemen in Frankreich, England und Italien (weniger vehement in Deutschland) waren: Historisch-kritische Erforschung der Bibel und der Dogmen; Bejahung subjektiver Verantwortung unter dem Primat des Gewissens; gegen die rationale Beweisführung der neuscholastischen Theologie die Bemühung um Glaubenserfahrung; Erneuerung der Kirche als Gemeinschaft mit der Betonung der einzelnen Gemeinde und ihres sakramentalen Lebens, die durch das kirchliche Amt mit der Gesamtkirche verbunden bleibt. Drei besonders kritisierte Ausprägungen besagten, Religion entspringe dem Unbewußten, somit seien Religion und Theologie dem Verstand als einer religiös belanglosen Funktion eigentlich nicht zugänglich; bei der Offenbarung Gottes handle es sich um das Bewußtwerden eines inneren religiösen Bedürfnisses, das bei den Offenbarungszeugen nur am deutlichsten »objektiviert« sei, und bei Erstarrung dieser Objektivationen entstehe Tradition; die Dogmen seien nur symbolische Ausdrücke dieser Objektivationen, die sich mit fortschreitender Kultur verändern müßten. Nach harten römischen Stellungnahmen gegen »moderne« Auffassungen (wie Gewissens- und Pressefreiheit) im 19. Jh. führten Papst Pius X. († 1914) und eine »Pressuregroup« in seiner Umgebung eine heftige Kampagne gegen die »Modernisten« (Dekret »Lamentabili« und Enzyklika »Pascendi« von 1907), bei welcher der Modernismus als ein »System« konstruiert und verurteilt wurde, das faktisch nie bestanden hatte. Die »Modernisten«, wo erreichbar, wurden verfolgt: Indizierung der Schriften, Schreibverbote, Amtsenthebungen, Exkommunikationen. Ein vom Vatikan 1909 gegründeter Geheimbund »Sodalitium Pianum« arbeitete in vielen Ländern mit Spitzelwesen, Verdächtigungen, Verketzerungen und Denunziationen. Von 1910 bis 1967 existierte, verpflichtend für kirchliche Amtsträger, der »Antimodernisteneid« (in den 90er Jahren des 20. Jh. durch sog. Treue-Eide ersetzt). Benedikt XV. († 1922) suchte den schlimmsten Umtrieben ein Ende zu machen. In gewissem Ausmaß lebten einige von ihnen bis zum II. Vaticanum weiter und wurden von Kreisen der Traditionalistenbewegung wieder aufgenommen. »Modernismus blieb bedauerlicherweise bis heute ein liebloses, gehässiges Schimpfwort der innerkirchlichen, von den Schwierigkeiten des Glaubens in der heutigen Welt nicht angefochtenen Arroganz« (Rahner-Vorgrimler 1961, 243).