Polytheismus (griech. = die Auffassung von der Existenz mehrerer oder vieler Götter), tritt in der Religionsgeschichte in den unterschiedlichsten Formen und Traditionen auf, die sich nicht systematisieren lassen (heute noch in fernöstlichen und in neu gebildeten Religionen). Jedem Seienden und vor allem den großen, bestimmenden Mächten des menschlichen Daseins eignet wegen ihrer Geheimnishaftigkeit, wegen ihrer sehr oft vorhandenen Unverfügbarkeit durch den Menschen und wegen ihres oft widersprüchlichen Pluralismus in einem gewissen Sinn ein »numinoser« (Ehrfurcht und Schaudern erregender) und gleichzeitig konfliktreich pluraler Charakter. Wenn ein Mensch über solche »Mächte« reflektiert, sie in seinem Dasein »anwesend« sein läßt, dann interpretiert er sein Dasein jedenfalls tiefer und richtiger, als wenn er die physischen Einzelwirklichkeiten in einem mechanistischen Empirismus und in einem banalen Positivismus nur beglükkenden Konsum suchend benutzt und technisch vernutzt. Wenn einem Menschen die geschichtlich einmalige Offenbarung und Selbstmitteilung des einen lebendigen Gottes noch nicht begegnet ist oder sie ihm durch menschliche Schuld der »Glaubensboten« nur in entstellter Form begegnet ist, dann ist es möglich, daß er seine Transzendenzerfahrung als eine Erfahrung solcher »numinoser« (heilig-göttlicher) Mächte deutet und mit diesen »polytheistisch« in ein verehrendes Verhältnis tritt. Solche Erfahrungen sind in ihrer Echtheit nicht zu bestreiten; in der Sicht des Glaubens sind sie Mißdeutungen der pluralen Erfahrungen des einen Gottes. Eine polytheistische Gefährdung des christlichen Glaubens liegt dort vor, wo an die Unentbehrlichkeit »numinoser« Mächte als Vermittler zu dem einen Gott geglaubt wird und diese »heiligen« Mächte den religiösen Akt der Anbetung an sich ziehen. Über die Schuldhaftigkeit des Polytheismus, die erst dort gegeben wäre, wo Gott als der eine wahre und weltüberlegene Grund aller Wirklichkeit erkannt und gegen besseres Wissen polytheistisch »ausgelegt« würde, hat der Außenstehende nicht zu urteilen.