Evangelisch oder protestantisch – gibt es einen Unterschied?
Die Begriffe „evangelisch“ und „protestantisch“ werden im deutschen Sprachraum heute weitgehend austauschbar benutzt. In ihrer Herkunft unterscheiden sie sich allerdings. Das Wort „protestantisch“ geht zurück auf ein geschichtliches Ereignis: Beim Zweiten Reichstag zu Speyer im Jahr 1529 rebellierte eine Gruppe von Reichsständen per sogenannter „Protestation“ gegen das Wormser Edikt von 1521. Kirchen, die in der Tradition der Reformation stehen, bezeichnen sich selbst heute allerdings eher als „evangelisch“. Der Begriff leitet sich ab vom Wort „Evangelium“ und verweist damit auf das Schriftprinzip („sola scriptura“), einen der theologischen Grundsätze der Reformation.
Wie kam es zur Reformation?
Erste Schritte zur Reformation gab es bereits im 13. Jahrhundert, etwa mit den Bewegungen der Waldenser und der Hussiten. Endgültig in Gang gesetzt wurde sie unter Martin Luther: Anfangs war das Ziel tatsächlich eine Reform der römischen Kirche. Im sogenannten „Thesenanschlag“ sprach sich Luther 1517 insbesondere gegen den Ablasshandel aus. Später kam es allerdings auch immer mehr zu theologischen Differenzen, die schließlich zur Spaltung führten. Im Verlaufe der Jahre bildeten sich innerhalb der Reformationsbewegung unterschiedliche Flügel heraus. Dazu kamen neue Impulse, besonders aus der Schweiz: Zu den bekanntesten Reformatoren zählen neben Martin Luther heute Philipp Melanchthon (Evangelisch-lutherische Kirchen), außerdem Ulrich Zwingli und Johannes Calvin (Reformierte Kirchen).
Was glauben Protestanten?
Die protestantische Lehre lässt sich zusammenfassen in den „vier Soli“: sola scriptura (allein durch die Schrift), sola gratia (allein durch Gnade), solus Christus (allein Christus), und sola fide (allein durch den Glauben). Allein die Bibel gilt in protestantischen Kirchen als Grundlage des Glaubens. Der Mensch, so die protestantische Auffassung, kann sein Heil allein durch die Gnade Gottes erreichen. Ein zentraler Grundsatz ist damit für Protestanten die Rechtfertigungslehre: Rechtfertigung liege demnach allein in der Macht Gottes. Zwischen protestantischen Religionsgemeinschaften gibt es dabei auch einige Unterschiede. Ein Beispiel ist das Eucharistie-Verständnis: im Vergleich zu lutherischen Kirchen nimmt die Predigt im Vergleich zum Abendmahl einen deutlichen höheren Stellenwert ein.
Was unterscheidet Protestanten von Katholiken?
Im Vergleich zu Katholiken liegt bei Protestanten der Fokus stärker auf der Schrift („scriptura“), was sich auch in Gottesdiensten bemerkbar macht: Wortverkündigung und Eucharistie gelten als gleichwertig. Protestanten kennen – anders als die römisch-katholische Kirche – außerdem nur zwei Sakramente: Taufe und Abendmahl. Auch im Verständnis von Eucharistie gibt es Unterschiede: Anders als Katholiken sehen Protestanten im Abendmahl nicht eine (leibliche) Umwandlung. Für Reformierte hat es sogar nur symbolischen Charakter. Heiligen- und Marienverehrung werden in protestantischen Kirchen abgelehnt. Auch sind protestantische Kirchen anders organisiert als katholische Kirchen. Eine zentrale Leitung der Weltkirche (Papst) fehlt, Entscheidungen werden oft eher in kleinerem Rahmen, in Gemeinden wie auch Staats- und Landeskirchen (Synodalprinzip) getroffen.