Situationsethik heißt eine ethische Auffassung, nach der das ethische Sollen eines Menschen sich nur aus seiner jeweiligen Handlungssituation ergebe und die Erkenntnis dessen, was in der Situation, d. h. hier und jetzt, zu tun ist, sich nicht nach allgemeinen Normen des natürlichen Sittengesetzes richten müsse oder könne. Eine Situationsethik kommt in der Geschichte der Ethik immer wieder zum Vorschein. Sie ist häufig eine Folge der Tatsache, daß allgemeine Normen unvermeidlich zum Teil aus geschichtlich bedingten Weltanschauungen abgeleitet und immer auch ideologisch mißbraucht werden können. Die Situationsethik ist dann als Protest gegen solche Faktizitäten zu verstehen. Ihr richtiger Kern ist die Existentialethik. In philosophisch-ethischer Sicht erscheint die Situationsethik als extrem individualistisch und kurzschlüssig. Sie stellt eine Leugnung des sich in allem geschichtlichen Wandel durchhaltenden, erkennbaren Wesens des Menschen dar. In ihrer Konsequenz müßte das Christentum auf die Verkündigung der Ansprüche materialer ethischer Inhalte verzichten.