Theismus

Theismus (griechisch = Auffassung von Gott), im 17. Jh. geprägter Begriff, der die gemeinsame Gottesauffassung der verschiedenen Religionen im Unterschied zum Atheismus bezeichnen sollte und im 18. Jh. zur Kennzeichnung des Unterschieds zum Deismus diente. Der Theismus in diesem Sinn versteht Gott als souverän und  personal (d. h. bewußt und willentlich) Handelnden, der seiner Schöpfung ständig aktiv gegenwärtig ist. Er stellt insofern ein theologisches Hauptproblem dar, als an ihn die Frage zu richten ist, ob seine Gottesauffassung nur durch philosophische Reflexion, abgesehen also von der Offenbarung Gottes zustandekommt und somit zu einer Art Natürlicher Theologie führt, eine Frage, die besonders kritisch von der evangelischen Theologie an den Theismus gerichtet wird (seit P. Tillich †1965 ist die Rede vom »nachtheistischen Zeitalter«). Den Ausgangspunkt von der Offenbarung Gottes hat die katholischen Theologie mit der evangelischen gemeinsam; sie versteht sich nicht (mehr) als »natürliche Theologie«, sondern als philosophische (d. h. methodische und kritische) Reflexion auf die Offenbarung und als deren Interpretation. Eine philosophische Theologie, die von der Offenbarung absieht, kann zwar den alles begründenden Grund denkerisch erschließen; er bleibt aber für sie immer der ferne, unerreichbare Horizont; der von ihr gebildete Begriff des schlechthinnigen Absoluten bleibt »leer«. Ein solcher Theismus, der von sich aus das »Wesen« Gottes nicht erreicht, kann auch nichts Positives über Wesenseigenschaften Gottes sagen.

Eine kritische Funktion der Theologie besteht darin, die naiven Gottesvorstellungen des in den Kirchen noch weit verbreiteten Theismus abzubauen, der immer wieder versucht, aus abstrakt gebildeten Begriffen der Vorsehung und der Eigenschaften Gottes (wie Allmacht, Allwissenheit usw.) etwas Zutreffendes über das Verhältnis Gottes zur Welt zu erschließen und von da aus ein physikalisches Eingreifen Gottes in Abläufe der Natur und der Menschheitsgeschichte zu behaupten. Des weiteren gilt die theologische Kritik des Theismus ihm insofern, als er zur Stabilisierung bestehender Verhältnisse mißbraucht wird (Ideologie). Wird die Offenbarung Gottes philosophisch reflektiert und interpretiert, wie das in den biblischen Zeugnissen bereits vielfach der Fall ist, so ist das keine überhebliche Vergegenständlichung Gottes, sondern sie wendet sich nur insofern Gott als Gegenstand zu, als er sich selber in seinem Offenbarungswort »vergegenständlicht« hat. Gottes »Eigenschaften« in seinem Verhalten zur Schöpfung und Menschheit lassen sich an seinem »Werden« in der Inkarnation und an seinem mitleidenden Erbarmen erkennen. Die von der Dogmatik festgehaltenen Eigenschaften Gottes formulieren die unendliche Verschiedenheit von Gott und Nichtgöttlichem, seine grundsätzliche Unabhängigkeit von der Kreatur, sie sagen aber nichts darüber, wie sehr Gott selber sich von Schöpfung und Menschen abhängig gemacht hat. Die Theologie hat nicht nur diese kritische Funktion gegenüber dem allzu selbstverständlichen Theismus (wobei ihre Einsicht in die Analogie jeder Gottesrede und ihr Verstummen vor dem Geheimnis notwendige Selbstkorrekturen des Theismus sind), sondern sie hat auch zu beachten, inwieweit der Atheismus einen theologisch berechtigten Einspruch gegen den Theismus enthält.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen