GesundheitsförderungWie Fachkräfte in Bewegung bleiben

Dem Personal wird im Alltag einiges abverlangt. Wo bleibt die Entlastung? Gärtnern, tanzen oder Bewegungspausen können die Lösung sein.

Wie Fachkräfte in Bewegung bleiben
© fotostorm/ GettyImages

Pädagogische Fachkräfte sind mit vielfältigen körperlichen und psychischen Belastungen im Alltag konfrontiert. Mit zunehmendem Alter werden Aspekte wie Lärm, einseitige Körperbelastungen und (emotionaler) Stress zu einer immer größer werdenden Herausforderung. Daher ist es wichtig, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Fachkräfte (präventiv) in den Blick zu nehmen. Bewegung spielt hierbei eine tragende Rolle. Als Baustein der Gesundheitsförderung kann gerade Bewegung ein unterstützender Faktor für das Wohlbefinden und die Gesundheit sein.1
Gesundheitsförderung sollte in der Kita ein Grundlagenthema sein, das alle im Alltag Beteiligten einbezieht. Dies beinhaltet eine aktive Auseinandersetzung der Akteur:innen mit dem Thema Gesundheit – Kinder, Eltern, (pädagogische) Fachkräfte, Leitungskräfte sowie der Träger sollten dabei gleichermaßen einbezogen werden. Gesundheitsförderung darf nicht als bloßes Projekt angesehen werden, sondern ist als Querschnittsthema zu behandeln, das eine feste Verankerung im Alltag voraussetzt. Sie bezieht sich also immer sowohl auf die Verhältnisse, das heißt Lebenswelten und Strukturen, als auch auf das Verhalten der Akteur:innen.2
Durch eine strukturelle Verankerung der Gesundheits- und Bewegungsförderung können entsprechende Bewegungsaktivitäten sowohl eine präventive als auch intervenierende Wirkung haben. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstreckt sich die Notwendigkeit von Bewegung auf jedes Lebensalter. Sie empfiehlt unter anderem Erwachsenen von 18 bis 65 Jahren, so viel Alltagsbewegung wie möglich in den Tag zu integrieren.3 Ein wichtiger Faktor ist auch, Bewegungsanlässen bewusst nachzugehen, damit sich deren positive Effekte auf unterschiedlichen Ebenen entfalten können.

Bewegung als Präventivmaßnahme

Wie Kinder erfahren auch Erwachsene ihre (Um-)Welt durch Bewegung.4 Körperliche Bewegung geht dabei immer mit einer geistig-kognitiven und emotionalen Bewegung einher. Positive Effekte können unter anderem sein:5

  • Verbesserung von Blutdruck und Blutfettwerten
  • Reduktion bzw. Halten des Gewichts
  • geringere Gefahr, an Diabetes oder an Krebs zu erkranken
  • Verbesserung der Knochendichte
  • Verbesserung neuronaler Funktionen (zum Beispiel Durchblutung des Gehirns, Konzentrations- und Lernfähigkeit, Stabilisierung der Nervenzellenverbindungen)
  • Ausschüttung von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin
  • Steigerung der Selbstwirksamkeit und des Selbstbewusstseins

Gerade in der frühen Bildung wird Bewegung häufig mit Kindern und deren gesundem Aufwachsen in Verbindung gebracht. Ein aktiver Lebensstil ist aber auch für die Fachkräfte relevant. Bewegung wirkt zum Beispiel gegen altersbedingte Erkrankungen wie Muskelerkrankungen, Herz- und Lungenerkrankungen, Bluthochdruck, Konzentrationsmängel, Verschlechterung des Arbeitsgedächtnisses sowie motorische Einschränkungen.6 Zudem ist ein andauerndes Arbeitsverhältnis in der Kita durch Mehrfachbelastungen gekennzeichnet. Rückenschmerzen durch vermehrtes Tragen der Kinder, die hohe Lautstärke und andere körperliche Belastungen oder eine erhöhte Infektionsgefahr sind bekannte Themen. Diese Belastungen wirken sich auch auf die Psyche der Fachkräfte aus. Fehlende Anerkennung, ein erhöhtes Maß an Flexibilität aufgrund der Vielzahl an Arbeitsaufgaben, nicht eingehaltene Arbeitspausen und ein andauernder Stresspegel sind Aspekte, die die psychische Belastung zusätzlich erhöhen. Verstärkt wird das zum Beispiel durch den Fachkräftemangel. Bewegung ist kein Allheilmittel, bildet zu diesen Punkten aber einen wichtigen (präventiven) Ansatzpunkt und Gegenpol. Bewegung kann ein Mittel für die Förderung und Aufrechterhaltung der körperlichen und psychischen Gesundheit, des Wohlbefindens und somit der Interaktionsfähigkeit sowie der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sein. Außerdem unterstützen Bewegungsaktivitäten in Gruppen das Gemeinschaftsgefühl.7 Fühlen sich pädagogische Fachkräfte wohl und gesund, wirkt sich dies auf die Professionalität ihrer Arbeit aus, das heißt auf ihr Verhalten und den Umgang mit den Kindern. Nur Fachkräfte, denen es gut geht und die sich wohlfühlen, können ihrem pädagogischen Auftrag auch professionell nachgehen.

Strukturelle Verankerung im Alltag

Die Verhältnisse, in denen sich Menschen bewegen, haben einen maßgeblichen Einfluss auf ihr Verhalten. Bewegungsfördernde Verhältnisse beinhalten unter anderem, dass Lebenswelten in den Blick genommen werden. Eine Lebenswelt, die eng mit den Strukturen von Kitas verknüpft ist, ist die Kommune. Kommunen sollten eine bewegungsfördernde Infrastruktur im Blick haben (zum Beispiel gut ausgebaute Rad- und Fußgängerwege oder Möglichkeiten, Aktivitätsflächen zu nutzen, wie Parks und Sportanlagen).8 Träger sollten generell für das Thema Gesundheit bzw. Bewegung sensibilisieren und entsprechende Maßnahmen entwickeln, die langfristig strukturell verankert werden, wie sozialräumliche Kooperationen mit Sportvereinen und Physiotherapeut:innen. Neben Kommunen bzw. Trägern sind in solchen Organisationsentwicklungsprozessen auch fachpolitische Akteur:innen zu involvieren. Um gesundheits- und bewegungsförderliche Strukturen in der Kita vor Ort etablieren zu können (zum Beispiel Erstellung eines Bewegungskonzepts, Profilbildung der Einrichtung), benötigt es außerdem die Expertise von Kita-Leitungen und dem pädagogischen Personal.9 Leitungen agieren „an der Schnittstelle von Trägervorgaben und konkretem Arbeitsalltag“10 und nehmen gegenüber dem Personal eine Vorbildfunktion ein.
Grundsätzlich sind in Zeiten des Personalmangels Maßnahmen bzw. Bewegungsaktivitäten sinnvoll, die in den Alltag – mit und ohne Kinder – integriert werden können, sodass Überforderungen und weiteren Belastungen vorgebeugt wird.

Aktivitäten finden, die Freude machen

Wichtig ist, dass pädagogische Leitungs- und Fachkräfte ihre Einstellung zur und Erfahrungen mit Bewegung hinterfragen. Welche Bewegungen favorisiere oder meide ich? Warum ist das so? Welche Erfahrungen habe ich mit welchen Bewegungsaktivitäten gemacht? Solche Reflexionsfragen können helfen, Bewegungsaktivitäten zu finden, die Freude machen. So kann in einem zweiten Schritt Motivation entstehen, sich alltagsintegriert zu bewegen und/oder sich sportlich zu betätigen. Reflexionsarbeit wirkt sich wiederum auf die Vorbildfunktion aus, die die Fachkräfte gegenüber den Kindern haben.
Ein grundlegender Merkposten ist, dass es sich bei Bewegung nicht unmittelbar um sportliche Aktivitäten handeln muss. Bewegung in den Alltag zu integrieren, beinhaltet unter anderem, zu verstehen, dass Bewegungsinteressen und -möglichkeiten sehr unterschiedlich aussehen können. Der Slogan lautet sozusagen: „Jede Bewegung zählt!“ Besonders gut ist das bei Kindern zu beobachten: Viele Kinder gehen ihrem Bewegungsbedürfnis intuitiv nach – eine Sache, die wir von ihnen lernen können. Wenn Paul mal wieder von Raum zu Raum rennt, möchte er die Fachkräfte in den seltensten Fällen damit ärgern – er geht seinem Bewegungsbedürfnis nach.

Merkliste für Fachkräfte und Träger

  • „kleine“ Bewegungen würdigen und Fortschritte bewusst machen
  • Bewegung in Routinen und Strukturen integrieren
  • Raumgestaltung (drinnen/draußen) bewegungsfreundlich gestalten
  • Offenheit für neue Ideen
  • sich nicht von äußeren Einflüssen abhalten lassen (zum Beispiel schlechtes Wetter, Demotivation von Kindern oder Kolleg:innen)
  • ein gemeinsames Bewegungs- und Gesundheitsverständnis entwickeln und entsprechende Bedarfe sowie den Bestand ermitteln
  • Vorbildfunktion reflektieren und leben
  • auch von Kindern lernen (wollen)
  • Orientierung an Qualitätskriterien11

Gemeinsam aktiv werden

Bewegung ist in jedem Lebensalter ein Grundbedürfnis. Warum also nicht mit den Kindern Bewegungsaktivitäten erleben und Routinen im Alltag etablieren, sodass alle Beteiligten einen Nutzen davon haben? Viele der Bewegungsbeispiele, die mit den Kindern gemeinsam durchgeführt werden können, sind allein oder im Team umsetzbar. Aber es gibt auch gezielte Bewegungsaktivitäten für Erwachsene, die in den Kita-Alltag integriert werden können.12

Sich mit den Kindern bewegen

  • Einkäufe fußläufig erledigen: Ein Spaziergang zum Supermarkt oder Obstladen lädt zur Erkundung des Sozialraums ein.
  • Frühsport: Im Kita-Alltag, zum Beispiel im Morgenkreis, können Bewegungsrituale ein- und fortgeführt werden, bei denen alle Anwesenden mitmachen.
  • Gärtnern: Ein kleines Blumen- oder Gemüsebeet anzulegen, ist eine Gelegenheit, gemeinsam mit den Kindern in Bewegung zu kommen, einen Bezug zur Natur herzustellen und ggf. das ein oder andere zu naschen.
  • Kochen und backen: Neben dem Schneiden/ Umfüllen frischer Zutaten kann zum Beispiel auch einmal der Schneebesen anstelle des elektrischen Handrührgeräts verwendet werden.
  • Mitspielen: Kinder freuen sich darüber, wenn Erwachsene mitspielen, etwa beim Fangen, Buddeln im Sandkasten oder Seilspringen.
  • Wandertage: Wandern ist eine Gelegenheit um beispielsweise auch Eltern einzubeziehen.
  • Waldbaden: Ausgiebige Waldspaziergänge ermöglichen viele Bewegungs-, Spiel- und Entspannungsanlässe.
  • Yoga: An- und Entspannung ist ein wichtiger Bestandteil bei Bewegungsaktivitäten.
  • Zumba, Tanzen: Tänzerisch-musikalische Angebote halten fit, machen Spaß und gute Laune.

Bewegung für Fachkräfte

  • „Geh-Spräche“: Ein Spaziergang an der frischen Luft sowie ein „neutraler Boden“ entspannen manche Gesprächssituationen. Neben Pausengesprächen können auch Reflexions- oder Mitarbeiter:innengespräche geführt werden.
  • Bewegungspausen: Ein bewusstes Strecken und Dehnen, das bewusste Gehen im Garten oder Ähnliches aktivieren Körper und Seele.
  • Pause an der frischen Luft: Manchmal reicht es schon, einmal um den Häuserblock zu schlendern oder zügig zu gehen – je nach eigenen Bedürfnissen allein oder auch mit Kolleg:innen.
  • Treppensteigen: Ein Klassiker ist, das Treppensteigen der Rolltreppe oder dem Fahrstuhl vorzuziehen. Manchmal geht es zu Fuß sogar schneller.

Bewegungsangebote des Trägers

  • Betriebliches „Bike-Leasing“: Mit dieser Form der Mobilität wird auch der Umwelt etwas Gutes getan.
  • Bewegungs- und Gesundheitskurse: Einige Krankenkassen bieten Gesundheits- und Bewegungskurse an, die zum Teil kostenlos genutzt werden können.
  • Kooperationen mit Fitness- oder Tanzstudios: Vergünstigte Beiträge und Gruppenrabatte können die Hemmschwelle senken, ein solches Angebot zu nutzen.

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