"Gestern war ich mit meiner Mama in der Kirche", erzählt die fünfjährige Anna im Kindergarten. "Und ich war mit Papa am Freitag in der Moschee, denn ich bin ein Moslem", verkündet Mustafa stolz. Anna ist neugierig. "Was ist eine Moschee?", möchte sie wissen. Da mischt sich die Erzieherin ein und erklärt: "Die Moschee ist das Gebetshaus der Muslime. Das sind Menschen, die der Religion des Islam angehören." "Haben die auch einen lieben Gott wie wir?", fragt Lukas. "Ja, aber sie nennen ihn Allah", antwortet die Erzieherin. "Unser Gott heißt Allah. Wie heißt eurer?", fragt Esra. "Einfach nur Gott", meint Anna.
Gemeinsame Wurzeln in Christentum und Islam
Immer wieder kommt es in Kindergärten sowie christlichen und islamischen Elternhäusern zu solchen Gesprächen. Kinder sind von Natur aus unbefangen und neugierig. Sie möchten mehr über die Sitten und Rituale Andersgläubiger erfahren, denn damit kommen sie täglich in Berührung. Unsere Gesellschaft ist nämlich längst multikulturell und damit multireligiös geworden. Mit den Mädchen und Jungen anderer Kulturen treten auch deren Religionen ins Blickfeld der Kinder. In unserem Land ist es neben dem Christentum hauptsächlich der Islam. Immerhin leben in unserem Land weit über drei Millionen Muslime. Hinzu kommt: Kinder sind an Fragen nach dem Woher und Wohin, nach Leben und Sterben interessiert. Gerade diese sind es, die sowohl Christen als auch Muslime immer wieder auf Gott zurückwerfen. Kinder staunen oft, dass Christentum, Islam und Judentum gemeinsame Wurzeln haben. Diese liegen in Gott, der mit Abraham einen Bund geschlossen hat. Anna folgert in Kinderlogik: "Dann können Esra und Mustafa doch auch in unsere Kirche gehen." Ihre Mama liefert eine gute Erklärung: "Deine Freunde fühlen sich im Islam zu Hause. Denn ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sind in dieser Religion aufgewachsen. Für Esra und Mustafa ist deshalb der Islam die beste Religion. Du und ich, Papa, Oma und Opa glauben auch an Gott - wie Esra und Mustafa. Aber wir glauben auch an Jesus Christus, Gottes Sohn. Deshalb feiern wir Weihnachten, Ostern und andere christliche Feste." "Auf Weihnachten freu ich mich schon jetzt ganz doll!", ruft Anna. Ihre Mama lächelt und meint: "Deshalb fühlst du dich im Christentum zu Hause. Es ist für dich und uns die richtige Religion. Aber an Gott glauben wir alle - Christen, Juden und Muslime."
In der eigenen Religion zu Hause, mit offenem Blick für das Andere
Annas Mutter hat die Sache auf den Punkt gebracht. Kinder aus christlichen Elternhäusern sind tief in ihren Traditionen verwurzelt - so wie muslimische Kinder mit den Riten des Islam vertraut sind. Und nur wer sich in seiner eigenen Religion zu Hause fühlt, kann seinen Blick für das Andere, Fremdartige weiten. Nichts fördert den Respekt vor anderen Religionen so sehr wie gemeinsam zu beten und zu feiern. Eltern könnten im Kindergarten oder in ihrer Kirchengemeinde regelmäßigen interreligiösen Austausch anregen und etwa gegenseitige Besuche in Kirche und Moschee, gemeinsame Feste und interreligiöse Gottesdienste sowie Veranstaltungen zum Thema "Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Christentum und Islam" vereinbaren.
Die häufigsten Kinderfragen zum Islam und wie Sie sie als Eltern beantworten könnten:
Was glauben Muslime?
Muslime glauben wie wir Christen, dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist. Sie kennen wie Juden und Christen die Geschichten aus dem Alten Testament. Doch sie glauben nicht, dass Jesus Gottes Sohn ist. Er ist ein Prophet, sagen sie. Muslime glauben, dass Mohammed der Prophet Allahs ist und dass Allah zu ihm gesprochen hat.
Wer ist Mohammed?
Mohammed wurde im Jahr 570 nach Christus in Mekka geboren. 40 Jahre später sah er im Monat Ramadan (Ende Februar bis Ende März) den Erzengel Gabriel. Der Engel sagte zu Mohammed, er solle Gottes Wort verkünden. Im Laufe der Jahre ließ er diese Worte Gottes im Koran aufschreiben.
Warum tragen muslimische Frauen ein Kopftuch?
Es ist bei ihnen so Sitte. Der Prophet Mohammed hat nämlich gesagt, wie Frauen sich kleiden sollen. Mittlerweile tragen viele keine Kopftücher mehr, nur noch zum Beten. Doch es gibt einige, die den alten Sitten treu bleiben. Sie ziehen auch in der Öffentlichkeit das Kopftuch an. Das sollte man respektieren, denn es ist Zeichen ihres tiefen Glaubens.
Was ist eine Moschee?
Eine Moschee ist das Gebetshaus der Muslime. Dort gibt es keine Bänke wie in der Kirche. Die Moschee ist mit Teppichen ausgelegt. Männer und Frauen beten in getrennten Räumen. Sie knien und beugen sich beim Beten öfter nieder. Alle ziehen vor dem Betreten der Moschee die Schuhe aus und waschen sich vor dem Gebet Gesicht, Ohren, Hände, Arme und Füße. Eine prachtvoll mit Malereien oder Mosaiken verzierte Nische in der Wand zeigt nach Mekka. In diese Richtung wenden sich die Muslime beim Beten.
Wie oft gehen Muslime in die Moschee?
Muslime sollen fünfmal täglich beten und sich dabei jedes Mal nach Mekka wenden. Das können sie natürlich nicht immer in der Moschee tun. Deshalb ist es egal, wo sie beten. Die Hauptsache ist, sie wenden sich beim Gebet nach Mekka. Die Moschee wird oft auch als Versammlungsraum der muslimischen Gemeinde genutzt.
Was ist Mekka?
Das ist eine Stadt in Saudi-Arabien. Dorthin soll jeder Moslem einmal in seinem Leben pilgern. In Mekka steht die Kaaba: ein Gebäude, das für die Muslime heilig und das Allah geweiht ist.
Warum läuten in der Moschee keine Glocken?
Bei uns Christen läuten die Glocken. Sie rufen uns zum Gottesdienst oder erinnern uns ans Beten. In der Moschee gibt es keine Glocken. Da steht ein Mann, der Muezzin, auf einem Turm, dem Minarett. Er ruft auf Arabisch: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah! Kommt her zum Gebet! Allah ist groß, es gibt keinen anderen Gott außer Allah!"
Gibt es bei den Muslimen auch einen Pastor?
Nein, es gibt keine Priester und Bischöfe im Islam, sondern Religionslehrer und Rechtsgelehrte. Im Gottesdienst betet der Imam vor. Das ist kein Geistlicher, sondern ein Mann aus der Gemeinde.
Was ist der Ramadan?
Es ist der Fastenmonat der Muslime. Einmal im Jahr, im Ramadan, sollen gesunde Erwachsene fasten. Sie essen und trinken dann nur vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang. Wenn der Ramadan zu Ende ist, wird das Zuckerfest gefeiert. Die Kinder werden beschenkt. Freunde und Verwandte kommen zu Besuch - ähnlich wie bei uns zu weihnachten. Im Islam gibt es auch außerhalb des Ramadan Speisevorschriften. Muslime dürfen zum Beispiel kein Schweinefleisch essen, weil das Schwein als unreines Tier gilt.