Die Zeiten, in denen Eltern ihre Kinder abrupt und ohne Verabschiedung in Kindertageseinrichtungen abgegeben haben oder abgeben mussten, sind glücklicherweise lange vorbei. Die Forschung der letzten Jahre und Jahrzehnte hat nämlich gezeigt: Eine sanfte und schrittweise Eingewöhnung ermöglicht Kindern, eine Bindung zu ihrer Bezugspädagogin aufzubauen. Und diese Beziehung trägt dann, wenn Mama oder Papa den Raum verlassen und ermöglicht den Kindern, ihre Exploration fortzusetzen und sich sicher und geborgen zu fühlen.
Je jünger ein Kind ist, desto wichtiger ist eine gründliche und gute Eingewöhnungszeit.
In der Praxis in Deutschland haben sich in den letzten Jahren zwei Modelle bewährt. Wichtig ist, sie nicht stur nach Schema F durchzuziehen, sondern individuell anzupassen. Das eine Kind möchte schon am zweiten Tag länger bleiben, das andere Kind traut sich auch nach drei Wochen nur wenige Schritte von seiner Mutter weg. Kein Kind gleicht dem anderen und deswegen verläuft auch keine Eingewöhnung ganz gleich. Das Alter, die Persönlichkeit des Kindes, des Elternteils und der Pädagogin, die Vorerfahrungen, Erwartungen und vieles mehr bestimmen den Verlauf.
Berliner Eingewöhnungsmodell
Die ersten drei Tage ist der Elternteil gemeinsam mit dem Kind ca. eine Stunde in der Gruppe. Danach gehen sie gemeinsam nach Hause. Die Eltern fungieren als sicherer Hafen, die Pädagogin nimmt vorsichtig Kontakt zum Kind auf.
Am vierten Tag gibt es einen ersten Trennungsversuch (nicht an einem Montag): Wenige Minuten nach der Ankunft verabschiedet sich der Elternteil vom Kind und verlässt den Raum. Die Reaktion des Kindes bestimmt dann das weitere Vorgehen. Weint es kurz und lässt sich dann wieder beruhigen, kann die Trennung bis 30 Minuten ausgedehnt werden. Lässt es sich nicht beruhigen oder verfällt in eine Art Schockstarre, muss man die Trennung sofort unterbrechen. Verläuft die erste Trennung ohne größere Probleme, ist eine kürzere Eingewöhnungszeit (ca. sechs Tage) möglich. Wehrt sich das Kind vehement gegen die Trennung, ist eine längere Eingewöhnungszeit einzuplanen (zwei bis drei Wochen).
Verlief die erste Trennung gut, übernimmt die Bezugspädagogin Stück für Stück die Pflege des Kindes (Wickeln, Füttern etc.) und die Trennungszeiten werden länger.
In der Schlussphase bleibt der Elternteil nach der Verabschiedung nicht mehr in der Einrichtung, sondern ist nur noch telefonisch jederzeit zu erreichen. Das Kind sollte maximal halbtags in der Einrichtung sein.
Münchner Eingewöhnungsmodell
Auch das Münchner Modell beruht auf Ergebnissen der Bindungsforschung. Es betont besonders die aktive Rolle des Kindes (es wird nicht eingewöhnt, sondern es gewöhnt sich ein). In der ersten Phase besuchen Elternteil und Kind die Einrichtung gemeinsam. Diese Phase dauert sechs Tage bis ca. zwei Wochen, also deutlich länger als beim Berliner Modell. Der Elternteil ist der primäre Ansprechpartner für das Kind und nimmt gemeinsam mit dem Kind an allen Aktivitäten teil. In der zweiten Phase (Sicherheitsphase, drei bis fünf Tage) wechseln Elternteil und Pädagogin die Rollen: Der Elternteil schaut mehr zu, wird passiver, die Pädagogin agiert mit dem Kind. Dann erfolgt ein erster Trennungsversuch, je nach Situation bis zu einer Stunde (länger als beim Berliner Modell, da die gemeinsame Zeit auch länger war). Verlief die Trennung gut, kann sie in den nächsten Tagen ausgedehnt werden. Wenn nicht, sind die Eltern erst wieder einige Tage dabei, bevor ein neuer Trennungsversuch stattfindet.