Wann fangen Kleinstkinder an sich selbstständig zu bewegen?
Die selbstständige Bewegungsentwicklung beginnt zwischen dem fünften und siebten Monat, indem die Kinder sich zur Seite drehen, meist vom Bauch auf den Rücken und schließlich zurück auf den Bauch. Bald bildet sich ein breites Spektrum motorischer Möglichkeiten aus: Wälzen, Robben, Wippen, Kriechen auf dem Bauch bis hin zum Krabbeln auf Knien und Händen. Etwas später lernt das Kind, sich selbstständig aufzusetzen, aufrecht zu sitzen, sich hochzuziehen und aus dem typischen Kniestand aufzustehen, bis es schließlich im zweiten Lebensjahr frei aufstehen und gehen kann. Zu beachten ist hierbei wiederum, dass die lokomotorische Entwicklung gesunder Kinder ausgesprochen vielfältig ist. Manche Kinder robben oder kriechen zum Beispiel nie, setzen sich dafür aber früh auf und rutschen auf dem Hosenboden vorwärts oder rückwärts, wie es übrigens fast die Hälfte ihrer Väter oder Mütter auch gemacht hat. Hier handelt es sich um ein vererbtes Bewegungsmuster, bei dem die Stufe Krabbeln ohne Konsequenzen fehlen kann. Auch für den Zeitpunkt, zu dem das Kind zu laufen beginnt, spielt die Genetik eine wichtige Rolle.
Warum sind diese Bewegungserfahrungen so wichtig, für Kinder?
In der frühen Kindheit benötigt das Gehirn Reize, die bei körperlicher Aktivität und Sinneswahrnehmungen aufgenommen werden. Dabei wird die Verknüpfung der Nervenzellen – die Bildung der sogenannten Synapsen – unterstützt. Die Verbindungen zwischen den Nervenzellen werden komplexer, je mehr Reize durch die Sinnesorgane zum Gehirn gelangen. Die Funktionsfähigkeit des Gehirns ist groß, es muss jedoch in der frühen Kindheit durch möglichst vielseitige Bewegungserfahrungen und Sinnestätigkeiten angeregt werden. Aber nicht nur die Vernetzung des Gehirns wird durch Bewegung und sinnliche Erfahrung aktiviert. Über den Körper und die Bewegung bekommt das Kleinstkind auch Rückmeldungen darüber, was es geschafft hat, wie erfolgreich seine Anstrengungen waren und was es beim Üben und Ausprobieren dazugelernt hat. Bewegung ist für das Kind in den ersten Lebensjahren das wichtigste Mittel, um Erfahrungen über die eigene Person, aber auch über seine soziale, räumliche und dingliche Umwelt zu gewinnen.
Gibt es ein bestimmtes Bewegungsverhalten, bevor ein Kind laufen lernt?
Welches Bewegungsverhalten das Kind zunächst zeigt, bevor es laufen lernt, lässt keine Rückschlüsse auf den Zeitpunkt seiner ersten eigenständigen Schritte zu: Manche Kinder robben und krabbeln ausgesprochen fix und behände, bevor sie anfangen zu laufen. Andere Kinder bewegen sich ausgiebig auf dem Hosenboden rutschend fort, bevor sie aufrecht gehen lernen. Das mag für Eltern und Betreuer ein seltsamer Anblick sein – Grund zur Sorge geben diese Fortbewegungsvarianten in alle Regel aber nicht.
Sollten pädagogische Fachkräfte und Eltern sich um die Entwicklung des Kindes sorgen, wenn es lange braucht, um laufen zu lernen?
Ob ein Kind früher oder später das Laufen lernt, lässt bei einem gesunden Kind keine Rückschlüsse auf seine sonstige Entwicklung zu: Die Ausreifung der entsprechenden motorischen Fähigkeiten ist völlig unabhängig von der Entwicklung sonstiger motorischer Fähigkeiten. So kann ein Kind ein später „Läufer“ sein, aber schon früh zu sprechen beginnen – oder umgekehrt. Allerdings kann es sein, dass ein Kind von der Herausforderung laufen zu lernen derart gefangen genommen wird, dass es in seiner sonstigen Entwicklung, vor allem in der sprachlichen, vorübergehend keine Fortschritte macht.
Das ändert sich aber in aller Regel nach einigen Wochen wieder. Eltern beobachten dies oft mit Sorge. Hier können pädagogische Fachkräfte aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz beruhigend auf Eltern einwirken, indem sie ihnen versichern, dass es sich um eine vorübergehende Entwicklungsphase handelt.