Der Waschraum als Bildungs- und ErfahrungsraumWasser marsch

Sanitärbereiche in Kitas und Kindertagespflege fristen oft nach wie vor ein Schattendasein, dabei bieten sie sich als Experimentierfeld geradezu an. Lesen Sie, wie Sie Orte und Momente schaffen, die das kindliche Explorieren mit Wasser und Seife anregen.

Wasser marsch
© Harald Neumann

Die Erzieherin Simone sitzt mit den Kindern Lisa, Marion und Tim im Waschraum der Krippe Firlefanz vor einer großen Wanne mit Wasser. Auf dem Wasser hat sich eine dicke Schicht Schaum gebildet. Lisa greift nach den Schaumbläschen und zeigt diese vergnügt lachend Simone. Diese lächelt zurück: „Ja, das ist Schaum.“ „Schaum“, wiederholt Lisa und setzt diesen zurück in die Wanne. Tim schüttet währenddessen sehr konzentriert immer wieder Wasser von einem Messbecher in einen anderen. Er lässt sich von den anderen beiden Kindern nicht stören. Marion wiederum ist fasziniert von den Schwämmen, die sich mit Wasser vollsaugen. Sie erkundet einen Schwamm mit dem Mund und verzieht das Gesicht: Er schmeckt nach Seife. Die Fachkraft gibt den Kindern Zeit, ihrem Spiel nachzugehen. Erst nach einer ganzen Weile gibt sie etwas Lebensmittelfarbe ins Wasser und setzt so einen weiteren Impuls: Die Kinder staunen darüber, wie sich das Wasser nach und nach grün färbt.

Wie diese Szene zeigt, ist das kindliche Spiel ein äußerst komplexes und vielschichtiges Phänomen, dessen Merkmale mit Unbeschwertheit, Leichtigkeit, Freiwilligkeit, Wiederholung, Handlungsbezogenheit, Regelhaftigkeit und Zielbezogenheit benannt werden (s. Kasten).
Die früheste Spielform, die für das Krippenalter bedeutsam ist, ist das Funktionsspiel. Durch Wiederholungen werden neue Fähigkeiten eingeübt. Das Kind erforscht zunächst durch Bewegungen seinen Körper. Später kommt das Hantieren mit Gegenständen hinzu, welches das Funktionsspiel in körperbezogene und gegenstandsbezogene Arten unterteilt. Wasserspiele sind dabei eine der beliebtesten Beschäftigungen, die dem Funktionsspiel zugeordnet werden können. Die Kombination von Wasser und Seife besitzt einen hohen Aufforderungscharakter und ist wertvoll für das körperlichsinnliche Erleben. Deshalb bieten sich sanitäre Räume nicht nur für pflegerische Tätigkeiten wie das Wickeln oder Händewaschen an, sondern auch als Bildungsorte mit Anreizen für sinnliche und kreative Erfahrungen.

Eine Wasserwerkstatt einrichten

BENÖTIGTE MATERIALIEN: Grundausstattung:

  • Trichter, Messbecher, Schüsseln, Schöpflöffel, Gießkannen, Schlauchstücke, Bürsten und Schwämme, Wannen oder ein aufblasbares Becken
  • Handtücher
  • Gummimatten
  • ggf. Malkittel

zusätzlich je nach Alter:

  • Reagenzgläser, Spritzen, Pipetten, Lebensmittelfarbe, Krepppapier zum Färben des Wassers, Rasierschaum oder Spülmittel (auf Hautverträglichkeit achten!)

SO WIRD’S GEMACHT:
Bieten Sie nur eine überschaubare Auswahl der genannten Materialien an, um die Kinder nicht zu überfordern. Je nachdem, welchem Wasserspiel sich die Mädchen und Jungen zuwenden, können Sie dann ergänzende Utensilien anbieten, die das Spiel variieren oder vertiefen. Ganz automatisch werden rutschige Stellen entstehen: Die Gummimatten verhindern, dass die Kinder stürzen. Malkittel helfen, die Kleidung trocken zu halten. Am besten ist es jedoch, in ausreichend geheizten Räumen ganz auf Bekleidung zu verzichten. Verstehen Sie die Wasserwerkstatt als ein offenes Lernangebot, in dem die Kinder frei entscheiden können, mit welchen Themen sie sich beschäftigen möchten. Dann eröffnen sich ihnen zahlreiche Lernfelder:

  • Die Kinder erfahren sich als aktiv Lernende und Konstrukteure ihrer Entwicklung, beides ist für die kindliche Selbstbildung von zentraler Bedeutung.
  • Sie machen grundlegende haptische Erfahrungen, erleben ein aktiv tastendes Begreifen: Z. B. werden die Oberflächenbeschaffenheit und die Temperatur des Wassers erkundet. Wie fühlt sich der Schaum auf der Haut an?
  • Beim Einfüllen und Umschütten wird die Feinmotorik trainiert.
  • Die Mädchen und Jungen machen elementare Naturerfahrungen und erforschen Ursache-Wirkungs- Verhältnisse: Wie entsteht Schaum? Wie viel Wasser passt in das kleine Gefäß, wie viel in das große Gefäß? Etc.
  • Die Interaktion der pädagogischen Fachkraft mit den Kindern während der Wasserspiele stärkt ihre Beziehung.
  • Im gemeinsamen Spiel mit anderen Kindern erleben die Mädchen und Jungen soziale Eingebundenheit und die Zugehörigkeit zu ihren sog. Peers. Aus dem Parallelspiel wird mit zunehmendem Alter ein Spiel in Zweiergruppen, welches das Gefühl von Sicherheit und der Zugehörigkeit verstärkt.
  • Sprachkompetenzen entwickeln sich im Dialog über Wasserspiele und die Materialien weiter: Die Kinder erweitern u. a. ihren Wortschatz rund um das Themenfeld, bspw. Trichter, Messbecher Schaum, schütten, gießen, voll und leer, kalt und warm.
  • Professionelle Assistenz der Fachkräfte

    Die Rolle der pädagogischen Fachkraft zeichnet sich durch Interesse und Geduld aus. Sie bringt ihre eigene Person angemessen ein: Sie erkennt, wenn das Kind Hilfe benötigt, und kann sich zugleich in gewissen Momenten wieder zurückziehen und beobachten. Die Fachkraft ist Lernbegleiterin und orientiert sich an den Bedürfnissen und Interessen des Kindes. Anhand von Beobachtungen wählt sie die Materialien aus und erweitert diese. Ebenso stellt sie Verknüpfungen zum Alltag her und kann den Kindern so vermitteln, dass auch das Baden und Duschen zu Hause Raum für genussvolle Spiele bieten kann. Wichtig ist dabei immer, den Kindern Zeit und Raum für Autonomie und Exploration zu geben, sodass eine anhaltende und angenehme Atmosphäre entstehen kann.

    INFO

    Spielmerkmale nach der HERZTheorie (Mogel 2008):

    1. Handlung (H): Handlungen frei gestalten aus intrinsischer Motivation heraus; Erweiterung des Erlebnisraums → Persönlichkeitsbildung
    2. Erleben (E): Erleben lustvoller Tätigkeiten
    3. Realität (R): Die Freiheit des kindlichen Handelns bildet eine Realitätsebene, welche auf die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes abgestimmt ist.
    4. Zielbezogenheit (Z): Jedes Spiel hat ein Ziel, das für das Kind sinnstiftend ist. Durch die Dynamik des Spiels kann das Ziel variiert werden (Zielfluktuation).

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