Ich verlasse dich, weil ich leben will (Klappenbroschur)

Frei werden von Schuldgefühlen

  • Das erste Buch einer Expertin zum Thema
  • Aus Perspektive derjenigen, die die Beziehung beende
  • Verlag Herder
  • 1. Auflage 2019
  • Klappenbroschur
  • 336 Seiten
  • ISBN: 978-3-451-60070-8
  • Bestellnummer: P600700

Niemand geht ganz einfach weg

Das Zerbrechen einer Partnerschaft hat oftmals eine lange Vorgeschichte. Dieses Buch handelt von dem langen Abschied, währenddessen die Aufbrechenden jahrelang innere Qualen litten und wo die Entscheidung zu gehen über einen langen Zeitraum immer stärkere Konturen annahm. In diesem Buch erzählen die Aufbrechenden mit ihren eigenen Worten, warum sie gegangen sind. Paare gehen nicht wegen Streitigkeiten oder unterschiedlichen Persönlichkeiten auseinander; sie gehen, weil sie sich einsam, abgewiesen und in der Paarbeziehung verlassen fühlen. Sie gehen, um ihr sterbendes Ich zu retten.

Interview mit Sissel Gran zu ihrem Buch

Sissel Gran, mit Ihrem Buch geben sie denjenigen eine Stimme, die ihre Beziehung beenden. Warum ist es Ihnen wichtig Trennungen aus der Perspektive des Partners zu betrachten, der geht?

Wir alle kennen die Folgen, mit denen Menschen zu kämpfen haben, die von ihrem Partner verlassen werden. Häufig ist es eine traumatische Erfahrung, die als existenziell bedrohlich empfunden wird: „Mein Leben ist vorbei, es wäre egal, wenn ich gar nicht mehr da wäre“. Das Thema Verlassenwerden begegnet uns überall – in wissenschaftlichen Untersuchungen wie in Romanen, der Pop Musik, der Oper, in Theaterstücken und Filmen. Wir sind vertraut mit den Emotionen, von denen Verlassene heimgesucht werden, mit dem Herzschmerz, der Verzweiflung und auch dem Hass und der Wut. In zahlreichen Therapiegesprächen werden gebrochene Herzen versorgt.

Wir sind es gewohnt bei einer Trennung nicht die Perspektive des Partners einzunehmen, der geht, sondern sie mit der Geschichte des Verlassenen zu überblenden. Dieses Ungleichgewicht hat mich angezogen. Ich wollte die Geschichten derjenigen hören, die nicht verlassen wurden, sondern verlassen haben. Denn auch sie leiden. Ehe sie die Trennung vollziehen, können schmerzvolle Jahre vergehen, in denen emotionale Bedürfnisse missachtet werden und alle Versuche scheitern, eine bessere Verbindung zum Partner herzustellen. Menschen, die sich trennen, fühlen sich in ihrer Beziehung oft lange einsam, unsichtbar oder erdrückt. Manche gehen, um sich selbst zu retten.

Auch Kinder, die die Scheidung ihrer Eltern erleben, müssen verstehen, dass der Elternteil, der die Trennung in die Wege leitet, kein Dämon ist, sondern meist ein unglücklicher Mensch, der um sein Überleben kämpft.

Mit welchen Vorurteilen und auch Verurteilungen sehen sich Menschen kronfrontiert, die ihren Partner verlassen?

Wer seinen Partner verlässt, wird häufig für verrückt oder böse gehalten, egal er ob aus einem plötzlichen Impuls heraus handelt oder nach jahrelangen Anmerkungen des Unglücklichseins. Wer aufgrund einer Verliebtheit oder unrealistischer Sehnsüchten etwas so wertvolles wie eine Ehe, ein Familienleben, ein ganzes Umfeld zerstört, der muss doch verrückt sein. Wer verlässt, der muss auch böse sein, ein Verräter, ein Egoist. Freunde, Familie und Kollegen sympathisieren deshalb in der Regel mit dem Partner, der verlassen wird. Ausgenommen davon sind nur Menschen, die gewalttätige, untreue oder alkohol- bzw. drogenabhängige Partner verlassen; sie erfahren ebenfalls Unterstützung aus dem sozialen Umfeld. In meinem Buch behandle ich aber nicht diese extreme, sondern „normale“ Trennungen von „normalen“ Beziehungen – wenn man in Sachen Liebe überhaupt von „normal“ sprechen darf.

Wann würden Sie dazu raten, eine Beziehung zu beenden anstatt weiter in sie zu investieren? Gibt es klare Indikatoren oder Muster, die einen irreperablen Zustand anzeigen?

Ich rate natürlich davon ab, Beziehungen weiterzuführen, die geprägt sind von Gewalt, Fremdgehen, Alkohl- oder Drogenkonsum oder emotionalem Missbrauch, und in denen ein Partner sich wie auf Eierschalen bewegt, immer in Erwartung des nächsten Zwischenfalls. Aber es gibt auch schädliche, zerstörerische Beziehungen, ohne dass ein offensichtlicher Missbrauch stattfindet. Verhaltensweisen wie Rückzug, „Mauern“ oder Gleichgültigkeit gegenüber den emotionalen Bedürfnissen des Partners sind extrem verletzend. Auch Nörgeln, Kritik und Geringschätzung sind schlimme Feinde einer gelingenden Beziehung – selbst wenn der aggressive Partner dabei aus dem tieferliegenden Wunsch handelt, mit dem anderen in Kontakt zu treten.

Wenn der eine Partner dem anderen ein Fehlverhalten nicht verzeiht und ihn dauerhaft dafür „bestraft“, ist dies ein weiterer Indikator, das seine Beziehung nicht weitergeführt werden sollte. Entsprechend ist es klares Warnzeichen, wenn ein Partner sich nicht aufrichtig entschuldigen kann und sich stattdessen immerzu in der Opferrolle sieht. Unter der Oberfläche solcher Beziehungsmuster wachsen Traurigkeit, Scham, Angst und Wut. Das alltägliche Leben der Partner (und möglicher Kinder) ist dadurch stark negativ beeinflusst.

Aus welchen Gründen verharren Menschen in Beziehungen, die schmerzhaft und schädlich für sie sind?

Es kann sehr schwerfallen, ein emotionales Band zu brechen. Wir investieren viel in unseren Partner, schenken Zeit und Vertrauen, richten uns ein Zuhause ein, gründen vielleicht eine Familie. Diese andere Person ist mit der Zeit ein Teil von uns selbst geworden. Mit ihm oder ihr haben wir uns wohler, sicherer, wichtiger und stärker gefühlt. Wir haben schöne Erinnerungen an unsere guten gemeinsamen Zeiten. Außerdem sind wir Menschen hoffnungsvolle Kreaturen. Wir hoffen, dass die Dinge sich ändern werden und die schönen Tage wiederkommen. Wenn es Kinder gibt, möchten wir, dass sie in einer intakten Familie aufwachsen und dicht zwischen den Eltern hin- und hergereicht werden. Und zu guter Letzt fürchten wir uns vor dem Unbekannten. Wir fragen uns, ob es uns allein wirklich besser gehen wird und ob wir unsere Entscheidung zu gehen bereuen werden.

Inwiefern kann eine Trennung ein positiver Schritt sein?

Menschen können eine Trennung wie eine Befreiung erleben. Sie können wieder atmen, das Gefühl klein gehalten zu werden kann sich umkehren und sie kommen wieder in Einklang mit sich selbst. Vielleicht nehmen sie wieder Kontakt auf zu Menschen, die ihnen wichtig waren, die sie aber während der Beziehung vernachlässigt haben. Wir können einen neuen Partner finden, und wieder das Gefühl erleben von jemand anderem geliebt zu werden. Kurzum, kann eine Trennung uns befreien, erleichtern und zu einer Erneuerung beitragen.

Und nur die wenigsten Menschen bleiben nach einer Trennung dauerhaft unglücklich – egal ob sie verlassen haben oder verlassen wurden. Mehr als 90 Prozent finden einen neuen Weg und führen ein gutes Leben, entweder mit einem neuen Partner oder als selbstsichere, zufriedene Singles.

Autorin

Die Autorin ist Norwegens bekannteste Paartherapeutin. Sie ist Psychologin und lebt in Oslo.

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