Wir leben in einer Zeit, die – so scheint es uns – immer schneller verrinnt. Obwohl wir statistisch gesehen von Generation zu Generation älter werden, beschleicht uns immer mehr das Gefühl, dass wir einfach nicht mehr hinterherkommen und nicht genug machen aus unserem Leben auf diesem schönen Planeten.
Da ist der Job, der uns im besten Falle immerhin Spaß macht – aber leider oft auch ein Hort von Anstrengung oder, und das ist meist das schlimmste, Langeweile sein kann.
Da sind die Freunde und Bekannte, die gerade in Zeiten sozialer Netzwerke an Zahl immer mehr zu werden scheinen. Das ist an sich natürlich erstmal eine schöne Entwicklung, aber mit ihr wächst auch der Druck, all diese Beziehungen nicht nur digital aufzubauen, sondern auch real am Leben zu halten und zu pflegen.
Und schließlich ist da die Familie. Die engsten Vertrauten, mit denen wir unser Leben, unsere innersten Gefühle teilen. Doch auch in der Familie gibt es leider allzu oft Stress und Streit, weil jeder einzelne für sich den Stress aus seinem Alltag mit nach Hause bringt und dort dann viel Unverständnis aufeinandertrifft.
Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – wir heutzutage ständig und überall erreichbar sind, fällt es uns zunehmend schwer, alle Dinge, die uns wichtig sind, unter einen Hut zu bekommen. Es fühlt sich an, als würden wir uns Tag für Tag durch unser Leben kämpfen – und selbst wenn wir mal zur Ruhe kommen, stellen wir erschrocken fest, wie viel Zeit schon wieder vergangen ist.
Und genau an diesem Punkt setzt Hygge an: als eine Hilfe, unser Leben zu entschleunigen, wieder die guten Momente intensiver zu genießen, Dinge wieder schätzen zu lernen, die man ob all der Hektik des Lebens vielleicht völlig aus den Augen verloren hat. Hygge unterstützt uns dabei, ganz einfach wieder glücklicher zu werden. Und das Beste? Dazu braucht es keine teuren Anschaffungen und Anstrengung, denn Hygge funktioniert auch mit den einfachsten Dingen und dazu auf ganz entspannte Weise – denn im Grunde ist Hygge Entspannung pur.
Aber was ist Hygge konkret?
Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Denn Hygge ist sehr vieles. Zunächst mal ist es nämlich sowohl ein Substantiv als auch ein Verb. Es kommt aus dem Dänischen, klingt ausgesprochen wie „hügge“ und bedeutet in etwa so viel wie „Gemütlichkeit“. Doch diese Übersetzung allein greift zu kurz. Hyggelige Tätigkeiten können Gemütlichkeit hervorrufen, gleichzeitig bezeichnet Hygge aber auch einen inneren Zustand des Wohlbefindens. Hygge ist ein ganzheitliches Konzept, sich selbst und daraus resultierend den Menschen in unserer Umgebung näherzukommen.
Konkret heißt das zum einen, dass wir ganz bestimmte hyggelige Dinge tun können, um uns in diesen angenehmen Zustand zu versetzen. Diese Dinge sind für jeden Menschen etwas anderes und ein wichtiger Teil von Hygge ist es auch, für sich selbst herauszufinden, welche Wege man individuell beschreiten muss, um zu sich selbst zu finden. Hygge-Tätigkeiten könnten zum Beispiel sein:
- Ein Spaziergang
- Ein gutes Essen mit Freunden
- Ein Picknick im Park
- Ein gutes Buch, bei dem man alles um sich herum vergisst
Aber es könnten auch diese Dinge sein:
- Ein Heavy-Metal-Konzert besuchen
- Eine körperlich anstrengende Bergwanderung
- Das eigene Heim renovieren
- Eine lange Autofahrt
Was für den einen also eher nach Stress und Anstrengung klingt, kann für den nächsten Hygge sein. Worum es geht, ist, dass wir uns mit dem umgeben, was wir lieben und diese Augenblicke genießen.
Für die meisten Menschen jedoch findet Hygge tatsächlich in den eigenen vier Wänden statt und definiert sich häufig als eine bewusste Abkehr von der Hektik und dem Lärm der modernen Außenwelt. Aus diesem Grund wird Hygge auch manchmal mit „Häuslichkeit“ übersetzt. Gerade in Skandinavien, der Heimat von Hygge, stellt das eigene Haus oder die eigene Wohnung sehr oft einen Ort des Friedens dar, wo wir negative Einflüsse im wahrsten Sinne des Wortes aussperren können. Hygge im Sinne von Häuslichkeit ist also unser ganz privater Hafen der Sicherheit und des Glücks – den wir natürlich nach Lust und Laune mit lieben Menschen teilen können.
Woher kommt Hygge
Wie gesagt stammt Hygge aus Dänemark, einem der laut jüngster Umfragen glücklichsten Länder der Welt. Obwohl – oder gerade weil? – es dort besonders im Winter lange dunkel, kühl und nass ist, haben die Dänen einen Weg gefunden, sich die Stimmung nicht vermiesen zu lassen. Entweder ziehen sie sich mit ihren Liebsten in ihr Zuhause zurück oder sie trotzen Wind und Wetter und treffen sich an öffentlichen Plätzen, gehen in Cafés und Restaurants oder bewandern die raue Natur ihres von tosendem Meerwasser umspülten Landes.
Das hyggelige Treiben der Dänen hat übrigens wenig mit Geld oder gesellschaftlicher Stellung zu tun. Wie alle Skandinavier zahlen auch die Dänen einen sehr hohen Steuersatz. Hygge ist bei ihnen vielmehr die Freude an einfachen Dingen als etwa an materiellem Besitz.
Wie geht Hygge?
Nun kommen wir zur entscheidenden Frage: wie schaffen wir es, uns das Konzept Hygge zu eigen zu machen? Zu diesem Zweck haben wir hier einige Tipps und Tricks zusammengetragen. Aber nicht vergessen: Hygge ist und bleibt für jeden von uns ein ganz eigener Weg, dessen Erkundung oft die wahrhaft hyggelige Erkenntnis ist.
- Das Zuhause hyggelig machen
Wir sollten speziell unser Wohnzimmer so gestalten, wie es uns glücklich macht. Das kann viele schicke Möbel bedeuten, aber auch ganz schlichte Praktikabilität. Duftkerzen können wir aufstellen, wenn uns deren Aromen zum Beispiel an schöne Erlebnisse aus unserer Vergangenheit erinnern. Auf jeden Fall sollten wir ein warmes Licht wählen. Und ganz wichtig: Wenn wir nicht allein leben, beziehen wir unsere Familienmitglieder oder Mitbewohner in diesen Prozess der Hyggelisierung mit ein!
- Gastfreundlich sein
Wenn Gäste kommen, bieten wir ihnen immer etwas zu essen und trinken an – selbst wenn sie nur kurz etwas vorbeibringen. Eine Quintessenz von Hygge ist, dass unsere Angebote überhaupt nicht aufwendig sein müssen. Ein paar Kekse, eine Kanne Tee – das reicht vollkommen aus! Und wir sollten uns keinen Stress wegen Aufräumen machen. Dieser Druck vor jedem Besuch ist absolut nicht notwendig. Und schließlich fast das Wichtigste: Auch als Gastgeber sollten wir locker und entspannt sein, uns zu unseren Gästen setzen und uns von dem Gefühl befreien, alles perfekt machen zu müssen. Dann werden sich unsere Gäste am wohlsten fühlen.
- Sich von Überflüssigem trennen
Die Anhäufung von materiellen Dingen ist eng verbunden mit dem Stress, den wir heutzutage oft spüren. Daher sollten wir regelmäßig unsere Sachen durchgehen – zum Beispiel beim Frühjahrsputz – und uns ehrlich fragen: Brauche ich das?
- Hygge am Arbeitsplatz
Der Arbeitsplatz ist ein ganz wichtiger Ort, wenn es darum geht, dem Leben mehr Hygge zu verleihen. Denn nicht nur verbringen wir hier viele Stunden unseres Alltags, sondern finden hier oft auch das größte Potential für Optimierung vor. Wir sollten persönliche Gegenstände wie Familienfotos mitbringen, ein angenehmes Lichtverhältnis schaffen und – ganz wichtig – versuchen, Spaß an unseren Arbeitsplatz zu bringen. Das können wir schaffen, indem wir vielleicht ein, zwei Kaffeepausen mit unseren Kollegen mehr machen oder auch einfach mal lustige und kreative Büromittel besorgen.
- Gemütliche Kleidung
Klar, man kann sich nicht immer aussuchen, was man anziehst. Gerade in vielen Berufen ist das mehr oder weniger vorgeschrieben. Aber zumindest zuhause liegt es voll und ganz an uns, wie wir uns anziehen. Und so simpel es klingt, so groß ist doch die Wirkung: Zuhause ziehen wir uns gemütlich an – denn in den eigenen vier Wänden findet garantiert keine Modenschau statt.
- Hyggelig essen und trinken
Essen und Trinken sind ebenfalls ganz entscheidende Faktoren, um unserem Leben etwas mehr Hygge zu geben. Nicht nur der Genuss selbst stiftet Wohlbefinden, sondern auch das Zubereiten und die Vorfreude auf Selbstgemachtes. Konkret können zum Beispiel Kräutertees wie Kamille, Lavendel oder Zimtrinde zu körperlicher und seelischer Entspannung beitragen. Und süße Speisen wie Pfannkuchen, Milchreis oder Pudding wecken nicht nur schöne Kindheitserinnerungen, sondern schaffen ein wohlig-warmes Gefühl, das vom Bauch auf den ganzen Körper ausstrahlt.
- Sport treiben
Hygge ist nicht nur Entspannung und Gemütlichkeit, sondern auch Aktivität und Energie. Wir sollten den Sport treiben, der uns wirklich glücklich macht. Nur weil alle anderen ins Fitness-Studio gehen, muss das nicht unseres sein. Vielleicht sind wir viel lieber draußen in der Natur und gehen daher wandern oder Radfahren. Oder wir ziehen einen Teamsport vor und suchen uns daher einen Verein in unserer Nähe.
- Großzügig sein und schenken
Hygge sein heißt auch teilen. Es lohnt sich, den Menschen, die uns lieb und teuer sind, ganz bewusst gemeinsame Zeit zu schenken und sie zum Beispiel an Ort auszuführen, von denen wir wissen, dass sie sich dort wohlfühlen. Ebenso können wir uns ein wenig Mühe bei der Auswahl von Geschenken machen und uns auch mal an einer kreativen Verpackung versuchen. Und wenn wir mal etwas übrig haben, dann sollten wir es spenden – an Mitmenschen, denen es nicht so gut geht.
All diese Anregungen sind natürlich nur ein Bruchteil dessen, was Hygge ausmacht. Der wichtigste Rat ist daher: Sich Zeit nehmen, um für sich selbst ganz persönlich herauszufinden, welche Aktivitäten, welche Möbel, welches Essen und vor allem welche Menschen uns wirklich glücklich machen. Wenn wir die Antworten auf diese Fragen finden und unser Leben danach ausrichten, dann sind wir am Ziel – dann sind wir Hygge!