Die Psychologie bezeichnet das Phänomen der Fokussierung auf negative Dinge als „katastrophisches Gehirn“. In der Geschichte der Menschheit war es überlebenswichtig, sich die gefährlichen Tiere und giftigen Pflanzen zu merken. Und auch heute haben negative Emotionen noch ihren Sinn:
Negative Gefühle und ihr Sinn
Die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson beschreibt, dass alle Emotionen einen Sinn haben, weil sie Handlungsimpulse auslösen: Bei Furcht flüchten wir, bei Zorn greifen wir an, bei Interesse erforschen wir etwas. Negative Gefühle wie Angst und Wut helfen uns dabei, Gefahren aus dem Weg zu gehen und wahrzunehmen, wenn eine Situation oder Lebensumstände nicht gut für uns sind. So ist es wichtig, den einen Autofahrer zu sehen, der uns die Vorfahrt nimmt oder sich zu merken, dass man sich an einer heißen Herdplatte schmerzhaft die Finger verbrennt.
Positive Gedanken erweitern die Perspektive
Der Nebeneffekt von negativen Emotionen ist jedoch, dass sie die Perspektive einschränken. Je positiver wir eingestellt sind, desto breiter können wir reflektieren. Das fand der Psychologe James W. Pennebaker heraus, indem er den Denkstil von Menschen untersuchte: In seiner Studie sollten die Teilnehmer aufschreiben, was ihnen gerade durch den Kopf ging. In der Auswertung entdeckte Pennebaker, dass entspannte Menschen breiter, reflektierter und emotional engagierter schreiben als gestresste und negativ eingestellte Menschen, bei denen er einen eher oberflächlichen Schreibstil feststellte.
Er kam zu dem Schluss, dass oberflächliches Denken dabei hilft, Schmerz und Stress auszuweichen und zu ignorieren, weil wir dabei weniger fühlen. Allerdings fühlen wir auch kein Glück, wenn wir generell an der Oberfläche bleiben. Einen ähnlichen Effekt erzielen wir mit Drogen oder exzessivem Sport, Essen, Alkohol, Einkaufen und Sex. Wir wollen nicht über einen Konflikt oder einen Stressor nachdenken und lenken uns damit ab.
Das richtige Gleichgewicht zwischen Positivem und Negativem
Die Relation zwischen positiven und negativen Dingen ist aus den Fugen geraten. Gutes übergehen oder vergessen wir schnell, Negatives wiederholen wir nicht nur immerzu, sondern machen es auch in Gedanken noch größer, als es in der Realität ist.
Die Psychologin Barbara Fredrickson hat sich mit der Frage beschäftigt, in welchem Verhältnis positive zu negativen Momenten stehen müssen, damit Menschen langfristig gesund und Teams erfolgreich sind. Da negative Gefühle stärker wirken als positive, braucht es ein 3:1-Verhältnis von Positivem zu Negativem. Das heißt zum Beispiel: Auf einmal Ärgern darf zum dreimal Freuen kommen. Das klingt anstrengender als es ist, denn unser Leben ist voll von schönen Dingen.
Positiv denken heißt nicht, alles schönreden
Beim Wohlbefinden geht es darum, positive Aspekte öfter und bewusster ins Leben zu integrieren. Das heißt nicht, dass negative Emotionen vermieden oder verdrängt werden sollten. Es geht darum, einen achtsamen Zugang zu allen Arten von Emotionen zu entwickeln – auch zu den positiven.
„Anstatt uns krampfhaft verändern zu wollen, und immer wieder mit Gewalt gegen uns vorzugehen, erlauben wir das, was gerade in uns lebendig ist und treten damit in Kontakt. (…) das führt uns in die Freiheit, denken zu dürfen, was wir denken, und fühlen zu dürfen, was wir fühlen“, schreibt Herder-Autor Mike Hellwig in Wie wir uns vom positiven Denken heilen.
Positive Emotionen eröffnen neue Perspektiven
Positive Emotionen sind die beste Option, um zu lernen, neue Perspektiven und Fähigkeiten zu entwickeln. Menschheitsgeschichtlich scheinen sie später entstanden zu sein, nachdem die Überlebensfragen grundsätzlich gelöst waren und Entwicklungsthemen anstanden.
Negative und positive Emotionen gehören zum Leben, auch zum Arbeitsleben. Die einen wahrzunehmen und sich auf die anderen zu konzentrieren scheint der gesündeste Weg zu sein.
Quellen positiver innerer Kraft entdecken
Psychologin Eva Wlodarek vergleicht in Tango Vitale unser Leben mit einem Tanz. Mal führt das Schicksal, mal wir. „Das heißt nicht, dass wir uns wie willenlose Marionetten herumschwenken lassen müssen. Auch wir können das Schicksal mit eigenen Schritten zu unseren Gunsten lenken: Talente entfalten, selbsterfüllende Prophezeiungen steuern, Gefahren vermeiden, glückliche Umstände anziehen und gute Gelegenheiten im richtigen Moment ergreifen.“
Anselm Grün führt zu Quellen innerer Kraft. Diese Quellen liegen in der Tiefe und versiegen nicht so schnell wie die oberflächlichen Quellen, die schnell eintrüben und bei Stress und Ärger versiegen. Unsere tiefen inneren Quellen sind unerschöpflich. Es ist wichtig, sie zu entdecken, denn: „Von den Quellen, aus denen wir schöpfen, hängt es ab, ob unser Leben gelingt oder nicht.“
Praxistipps für den Alltag
Schon mit kleinen Dingen könnten wir mehr Positives in unseren Alltag bringen. Die Psychologin Ilona Bürgel gibt Anregungen:
- Halten Sie öfter mal die Tür auf,
- Sagen Sie Danke, wann immer es geht
- Beginnen Sie Meetings mit positiven Informationen
- Schreiben Sie Ermutigendes in Ihren Mailabsender
- Fragen Sie nach positivem Feedback
- Lächeln und lachen Sie mehr
- Konzentrieren Sie sich auf die Stärken von Menschen, auf Ihre und auf die der anderen
- Loben Sie Menschen
- Bemerken Sie kleinste positive Veränderungen und Ansätze und kommunizieren Sie das