Sie schleichen sich oft langsam ein, die mulmigen Gefühle. Irgendetwas im Leben ist nicht mehr stimmig. Man sehnt sich nach „mehr“, nach mehr Autonomie, Freiheit, Liebe, Beziehung oder Gesundheit. Sie kann einen jedoch auch plötzlich ereilen, eine Krise: nach einer Entlassung, dem Tod eines lieben Menschen oder einer Trennung.
Wie entstehen Krisen?
In einer Krise werden unsere inneren und äußeren Strategien, mit Stress und Unsicherheit umzugehen, außer Kraft gesetzt. Wir fühlen uns wie gelähmt. Wie weiter? Als erstes greifen wir meist auf altbewährte Muster der Selbstberuhigung zurück. Oft sind es unerwünschte Verhaltensweisen, die wir meinten, längst überwunden zu haben, so zum Beispiel:
- Ablenkung durch Fernsehen oder Computerspiele
- Übermäßiges Essen
- Sich zurückziehen
- Rauchen
- Drogen
- Beruhigungsmittel
- Schlafen
- Sich in die Arbeit stürzen
- Exzessives Sport treiben
Wenn wir diese Lösungsstrategien ab und zu anwenden, können sie helfen, uns zu stabilisieren. Wenn wir jedoch über längere Zeit in diese Muster zurückfallen und darunter leiden, handelt es sich um eine Krise.
Welche Krisen durchlebt der Mensch?
Krisen finden sich oft an Lebensübergängen. Das Wort Krise kommt aus dem Altgriechischen „krisis“ und bedeutet Entscheidung, Meinung oder Beurteilung. Heute definieren wir sie oft als „Zuspitzung“. Und gerade in der Änderung oder Modifizierung unserer eigenen „Meinung“ oder „Beurteilung“ liegt dann auch der Weg aus der Krise. Es gilt darum, einen neuen Blick auf unser Leben und unsere Gewohnheiten zu werfen und neue Lösungsstrategien zu finden.
Die Zeitungen sind momentan voll von Krisen: Regierungskrisen, Wirtschaftskrisen, oder Bildungskrisen. Oft sind wir nicht unmittelbar betroffen. Uns geht es im Grunde materiell gut. Doch die Weltlage wirkt sich auch auf unsere Stimmung aus. Meist können wir gut damit umgehen, solange uns nicht selbst eine Krise ereilt. Im Laufe eines Lebens kann das sein:
Berufliche Krisen
- Mobbing
- Entlassung
- Neuorientierung
- Boreout
- Burnout
- Angst vor sozialem Abstieg
Gesundheitliche Krisen
- Chronische Krankheiten (körperlich und psychisch)
- Unfälle
- Gesundheitsprobleme im Alter
Partnerschaftskrisen
- Eifersucht
- Fremdgehen
- Stress durch Kinder
- Sprachlosigkeit
- Sexuelle Probleme
- Trennung, Scheidung
Beziehungs-oder Freundschaftskrisen
- Wegzug von Freunden
- Freunde haben keine Zeit mehr wegen Familiengründung
- Tod eines lieben Menschen
- Krankheit eines lieben Menschen
Eine Krise entsteht, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr greifen. Wenn wir keine Kraft mehr haben und keine Perspektiven mehr sehen. In so einem Moment haben wir das Gefühl, wir selbst sind handlungsunfähig und wir könnten an unserem Schicksal nichts ändern.
Wie kann man aus Krisen lernen und was?
Meinrad Armbruster, Professor für pädagogische Psychologie, beschreibt die sinnbildlichen Stufen die wir durchlaufen, wenn wir uns selbst Rechenschaft ablegen:
- Entfremdung
- Leere und Chaos
- Irrsinn der Vernunft
- Depression
- Reinigen und Loslassen
- Versöhnung und Dankbarkeit
- Kraftschöpfen
- Festigen und Erweitern
In seinem Buch Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise betont Armbruster, dass es im Leben darum gehe, nicht gleichgültig zu bleiben gegenüber:
- der eigenen Einflusslosigkeit,
- denn nicht beantworteten Sinnfragen,
- der schleichenden Vereinnahmung durch systemische Zwänge
- dem dadurch verursachten Leid
Das eigene Leben in die Hand nehmen
Empowerment kommt aus dem Englischen und bedeutet „Ermächtigung, Übertragung von Verantwortung“. Es geht darum, Verantwortung auf sich selbst zu übertragen. Der Fokus liegt auf der Selbstbestimmung. Wer eine Krise übersteht, der kann, laut Armbruster, folgendes lernen:
- Achtsamkeit: Sich in Kontakt mit dem Selbst bringen.
- Kenntnis: Sich der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten bewusst werden.
- Resonanz: Durchlässigkeit und Austausch zwischen sich und der Welt erreichen.
- Kohärenz: Die Kräfte in ein zuverlässiges Gleichgewicht bringen.
- Wirksamkeit: Stoßkraft in seiner Alltagspraxis erzielen.
- Transzendenz: Offen sein für eine Wirklichkeit jenseits der individuellen Existenz.
Zitate zu „Krise als Chance“
„Mögen hätt´ ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“ Karl Valentin
„In 20 Jahren wirst du dich mehr ärgern über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also wirf die Leinen und segle fort aus deinem sicheren Hafen. Fange den Wind in deinen Segeln. Forsche. Träume. Entdecke.“ Mark Twain
„Das Besondere unseres Tanzes mit dem Schicksal ist, dass ständig wechselt, wer führt. Mal übernimmt das Schicksal die Führung und wir müssen uns anpassen. Mal sind wir es, die die ersten Schritte tun und damit das Schicksal dazu bewegen, sich entsprechend zu verhalten. Entscheidend ist, dass wir genau wissen, wann wir dran sind.“ Eva Wlodarek in „Tango Vitale“