Unter Fachleuten aus der Psychologie und Psychotherapie ist der Begriff "Narzissmus" umstritten, da er heutzutage in der Regel als Schimpfwort verwendet wird. Als "narzisstisch" bezeichnen wir umgangssprachlich Menschen in unserem Umfeld - oder darüber hinaus -, die wir als eitel, geltungsbedürftig oder rücksichtslos empfinden. Der fachlich korrekte Terminus "Narzisstische Persönlichkeitsstörung" (NPS) hingegen beschreibt in der Psychotherapie einen leidenden Patienten, dem es zu helfen gilt.
Ursprung des Begriffs "Narzissmus"
Die Bezeichnung geht auf den griechischen Mythos des jungen Narziss zurück, der sich in sein eigenes Spiegelbild, das er beim Blick in eine Wasserquelle entdeckt, verliebt, ohne zu erkennen, dass es er selbst ist, den er sieht. Je nach Überlieferung stürzt Narziss schließlich in den See und ertrinkt oder er verstirbt an dem Schock, sich selbst plötzlich als hässlich zu empfinden, als ein Blatt in die Wasserquelle fällt und sein Spiegelbild trübt. In mehreren Versionen wird sein Leichnam anschließend in eine Narzisse verwandelt.
Positiver Narzissmus
Wie bereits angesprochen muss ein Mensch, den wir als "narzisstisch" bezeichnen, nicht zwangsläufig an einer NPS leiden. Vielmehr kann sich ein so genannter "positiver" Narzissmus auch in einer grundsätzlich positiven Einstellung zu sich selbst ausdrücken. Diese Menschen haben in der Regel ein stabiles Selbstwertgefühl, ruhen in sich selbst und - und das ist der große Unterschied zur NPS - sind anderen Menschen offen und harmonisch zugewandt.
Was ist eine NPS?
Einer der renommiertesten Experten für "Narzisstische Persönlichkeitsstörungen", der Psychotherapeut Otto Kernberg, definiert im von seinem Kollegen Manfred Lütz verfassten Buch "Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?" eine NPS folgendermaßen:
"Diese Patienten leiden unter einem dauernden Kampf, Neid auf andere, bessere, erfolgreichere, großartigere Menschen zu unterdrücken. Und zwar sowohl bewussten Neid als auch tieferen, unbewussten Neid. Ihre pathologische Lösung ist, dass sie sich selbst einbilden, all das bei den anderen beneidete Großartige in sich selbst zu verkörpern, also selber der großartigste, der erfolgreichste, der beneidetste Mensch zu sein."
Therapie einer NPS
Das erste - und oft größte - Problem bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen ist, dass die Betroffenen ihr eigenes Verhalten lange nicht als problematisch ansehen und daher auch kein Interesse an einer Therapie verspüren. Viele beginnen nur dann eine Behandlung, wenn sie an weiteren psychischen Problemen leiden, etwa einer Depression oder Ängsten. Andere werden von Angehörigen, die mit dem Verhalten nicht mehr zurechtkommen, in eine Therapie geschickt.
Bei der Therapie werden in erster Linie psychotherapeutische Verfahren verwendet. Dabei haben sich vor allem psychoanalytische / tiefenpsychologische und verhaltenstherapeutische Ansätze als wirksam erwiesen.
In der Behandlung geht es vor allem darum, konkrete Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken zu verändern, die für die Betroffenen belastend oder hinderlich sind. Die Patienten sollen lernen, konkrete Alltagsprobleme, zwischenmenschliche Konflikte oder Stresssituationen besser zu bewältigen. Außerdem kann daran gearbeitet werden, ein ungünstiges Selbstbild oder eine verzerrte Wahrnehmung der Umwelt zu verändern.
Trotz der genannten Schwierigkeiten können in einer Psychotherapie oft deutliche Verbesserungen erreicht werden. Vielen Patienten gelingt es so, befriedigendere Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen.
Ist Donald Trump ein Narzisst?
Auf den ersten Blick scheint diese Frage leicht zu beantworten zu sein. Der 45. Präsident der USA bezeichnet sich unentwegt als "großartig" bzw. sogar "großartigst" in vielerlei Hinsicht. Ihm werden rund um die Uhr Lügen und Falschaussagen nachgewiesen. Er zeigt - zumindest von außen betrachtet - paranoide Züge und Aggression gegenüber einer Reihe von Personen(gruppen).
Und dennoch sollte man vorsichtig sein bei einer solchen Ferndiagnose, wie auch Otto Kernberg festhält: "Ich bin dagegen, Diagnosen bei noch lebenden politischen Persönlichkeiten zu stellen, die man nicht in der eigenen Praxis gesehen hat. (…) Man kann nie sicher sagen, inwieweit gewisse öffentlich zur Schau gestellte Eigenschaften vorgespielt werden, um einen politischen Effekt zu erreichen."
Sein Kollege Manfred Lütz geht sogar noch einen Schritt weiter: "Ich halte Donald Trump nicht für narzisstisch, sondern für zutiefst unmoralisch, rücksichtslos und hemmungslos geltungsbedürftig. (...) Gewiss erinnert manches an ihm an eine narzisstische Störung, aber ich finde, dass man seine Amoralität nicht mit einer Diagnose adeln oder gar entschuldigen sollte."