Von seinem Partner betrogen zu werden gehört zu den schmerzhaftesten Erfahrungen einer Beziehung: Immer wieder hatte einem der Partner seine Liebe gezeigt - und auf einmal ist man nichts mehr wert. Jemand anderes ist wichtig geworden, wichtiger als man selbst. Er hatte Treue versprochen – und jetzt hat er die gemeinsame Liebe verraten. Vertrauen zerbricht. Die wohltuende Sicherheit: „Wir zwei gehören zueinander!“ ist mit einem Schlag zerstört. Der Betrogene bleibt zutiefst verletzt und gedemütigt zurück. Wut, Enttäuschung und Rachegedanken breiten sich aus. Der Psychologe und Paartherapeut Martin Koschorke gibt Tipps, wie Sie Ihre Beziehung nach einem Seitensprung retten können.
Ursachen des Fremdgehens ergründen
Nichts erschüttert eine Beziehung so nachhaltig wie ein Seitensprung oder eine Affäre: Das Vertrauen ist zerbrochen, die Liebe zerstört und der Betrogene tief verletzt. Wie konnte es zu diesem Super-Gau kommen? Denn als Erwachsene wissen wir ganz genau: Fast nichts verletzt unseren Partner oder unsere Partnerin so tief und so nachhaltig wie Fremdgehen und Betrug.
Die folgenden Fragen möchten anregen, gemeinsam über die Ursachen eines Vertrauensbruchs in der Beziehung nachzudenken:
- Was ist geschehen, dass einer – oder beide – sich zu einem Seitensprung oder einer Außenbeziehung verführen ließen?
- Wie kommt es, dass sich einer aus der Beziehung zu einem Vergnügen hinreißen lässt, für das er oder sie später teuer bezahlen muss – so oder so?
- Was fehlt in der Beziehung, dass eine Außenbeziehung die Partner aufwecken muss wie das schrille Signal einer Warnleuchte?
Beziehung retten nach Fremdgehen
Martin Koschorke empfiehlt, über die folgenden Fragen nachzudenken:
- Wie viel angenehme Zeit haben Sie in der vergangenen Woche mit Ihrem Partner verbracht? Angenehme Zeit, das heißt: nicht über Einkauf und Haushaltsarbeit, Konflikte oder Kinderprobleme sprechen. Sondern mit Ihrem Partner zusammen sein, mit ihm reden oder nicht reden, gemeinsam mit ihm Spaß haben, so wie Sie es getan haben, als Sie frisch verliebt waren. Wie viele Minuten waren das genau in der letzten Woche?
- Was haben Sie überhaupt so in den letzten Tagen gemacht? Unser Verhalten zeigt an, was für uns faktisch Priorität hat. Liebe heißt unter anderem: Du bist meine Priorität. Wenn Sie sich anschauen, womit Sie in der letzte Woche Ihre Zeit verbracht haben - was sagt Ihnen Ihr Verhalten über Ihre Prioritäten? Meine Erfahrung als Paarberater: In Außenbeziehungen gehen immer beide fremd; nicht unbedingt mit einem oder einer Geliebten. Man kann auch die Kinder, den Garten, den Beruf, die Verpflichtungen im Verein oder mit pflegebedürftigen Eltern, eine Ausbildung und so weiter trennend zwischen sich und den Partner stellen.
- Und wenn Sie sehr beschäftigt sind: Haben Sie Ihrem Partner, hat er Ihnen hin und wieder signalisiert (durch ein SMS, eine Blume, einen Kuss, einen liebevollen Blick): Selbst wenn wir zur Zeit viel zu tun haben, du stehst bei mir an erster Stelle!?
- Wann haben Sie ihm, und er Ihnen das letzte Mal ausdrücklich gesagt oder gezeigt. Frauen und Männer haben oft unterschiedliche Sprachen: Ich liebe dich. Ich mag dich. Ich freue mich, wenn du da bist? Ich danke dir für das, was du in unserer Beziehung/Familie leistest?
- Damit der Alltag Sie nicht überrennt: Haben Sie einen oder mehrere bestimmte feste Termine pro Woche, an denen Sie zusammen etwas unternehmen, das Sie beide gerne tun (zum Beispiel essen gehen oder nett zusammensitzen)? Und an dieser Terminvereinbarung wird nicht gerüttelt, egal ob ein Komet gerade die Erde zertrümmert?
- Fehlt Ihnen etwas in Ihrer Beziehung? Fehlt Ihrem Partner etwas in Ihrer Beziehung? Können Sie darüber reden, ohne zu streiten (denn jeder hat sowieso Recht, aus seiner Sicht)? Wann haben Sie sich das letzte Mal, auf eine halbe Stunde begrenzt, darüber unterhalten? Es ist nicht schlimm, sondern fast unvermeidlich, wenn Ihnen etwas einfällt, was Ihnen in Ihrer Beziehung fehlt. Es kann jedoch schlimm enden, wenn Sie beide darüber nicht miteinander reden können.
Ewige Kränkung oder zweite Chance?
Der oder die Betrogene steht nach dem Fremdgehen des Partners vor einer Wahl:
- Will ich weiter gekränkt bleiben? Denn das Opfer eines Betrugs zu sein verschafft – so schmerzlich es ist – zugleich eine gewisse Befriedigung. Rache ist süß, und tiefe Kränkung hinter sich lassen ist sehr, sehr schwer.
- Oder will ich nach vorne denken? Ich kann nicht ewig gekränkt bleiben, sonst verpasse ich mein Leben. Wie viel ist mir meine Beziehung, mein Partner wert? Will ich unserer Liebesbeziehung noch eine Chance geben? Was fehlt mir in unserer Beziehung? Was hat mir vielleicht schon seit einiger Zeit gefehlt, ohne dass ich besonders darauf geachtet habe? Könnte ich mir vorstellen auch meinen Partner zu fragen, was ihm in unserer Beziehung fehlt oder gefehlt hat? Kann ich mir vorstellen, mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen?
Tipp: 30 Minuten reden und zuhören – einmal wöchentlich
Martin Koschorke rät zu einer festen wöchentlichen Verabredung, um gemeinsam mit dem Partner die Versäumnisse in der Beziehung zu ergründen:
- Nehmen Sie sich 30 Minuten zum Reden und Zuhören, zum Beispiel dienstagabends von 18 bis 18.30 Uhr. Auf keinen Fall länger!
- Planen Sie 15 Minuten für jeden ein und stellen Sie eine Eieruhr, um die Zeit einzuhalten.
- Da Sie an einem Abend nicht fertig werden, setzen Sie das Gespräch am nächsten Dienstag von 18 bis 18.30 Uhr fort, und dann wieder eine Woche später.
- Sehr wichtig: Nach 18.30 Uhr (oder später am Abend) unternehmen Sie gemeinsam etwas, das Ihnen Spaß macht, zum Beispiel ins Kino gehen. Aber es wird auf keinen Fall außerhalb der vereinbarten Termine weiter über Beziehungsprobleme geredet!
Es geht nicht darum herauszufinden, wer Schuld hat – das wissen Sie ja schon.
Es geht darum gemeinsam herauszufinden: Was haben wir beide in unserer Beziehung versäumt und außer Acht gelassen? Sie werden sich beim ersten Mal sicher nicht einig werden. Aber jeder kann ja eine Woche lang darüber nachdenken, was dem anderen fehlt oder gefehlt hat.
Übung: Sich die Kränkung von der Seele schreiben
Viele sind zu solch einem Gespräch unmittelbar nach einem Betrug noch nicht bereit oder in der Lage. Dann müssen sie sich erst einmal etwas entlasten und beruhigen. Für diesen Fall schlägt Martin Koschorke folgende Übung vor:
Nehmen Sie sich eine Stunde Zeit, in der sie nicht gestört werden. Besorgen Sie sich drei Stoß Papier (es kann verschiedenfarbig sein, zum Beispiel helles Rot, helles grün und Ihre Lieblingsfarbe). Auf die Zettel mit Rot schreiben Sie als Überschrift: „Ich bin gekränkt und verzweifelt, ich habe Wut und Hass“. Auf die grünen Zettel schreiben Sie: „Wonach ich mich sehne“. Der dritte Stapel hat die Überschrift: „Was mir meine Beziehung bedeutet“. Dann legen Sie los und schrei(b)en aus sich heraus, was Ihnen gerade so einfällt – es kann ganz ungeordnet sein. Sie können die Zettel in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder hervorholen und ergänzen, bis Sie etwas klarer sehen, was Sie wollen. Den roten Stoß werden Sie niemandem zeigen, aber Sie können ihn irgendwann feierlich verbrennen. Die anderen Seiten können Sie aufbewahren.
Verzeihen oder nicht?
Vielleicht können sich Betrogene auf diese Weise auf die Frage vorbereiten, die sich ihnen in absehbarer Zeit stellt: Kann ich verzeihen, was er oder sie mir angetan hat? Welches Verhalten meines Partners würde mir zeigen, dass ich ihm oder ihr eine zweite Chance geben kann? Nimmt er oder sie an, was mir in einer Liebesbeziehung wichtig ist? Nehme ich an, was für ihn oder sie wichtig ist?