Predigt zum WochenspruchEs ist nicht gut, dass der Mensch allein ist

Johannes 12,24

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

So heißt es im Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel.

Der Mensch sitzt inmitten des Gartens. Umgeben ist er von Blumen und Bäumen. Alle Tiere des Feldes, alle Vögel des Himmels sind um ihn herum. Aber Gott sieht: Der Mensch ist dennoch allein. Und das ist nicht gut.

In diesen Tagen sitzen wir inmitten unserer Häuser und Wohnungen. Umgeben von aufsprießenden Frühlingsblüten an den Bäumen. Manche können das Fest nicht feiern, das sie seit langem vorbereitet haben.

„Zuhause bleiben!“ So lautet der Aufruf der Stunde. Das Leben auf Straßen und Plätzen ist zum Erliegen gekommen. Geschäfte sind verwaist. Kinos, Kirchen, Theater, Cafés und Kneipen – alles verlassen und verschlossen.

Wie mag es Menschen gehen, die nun allein sind? Ältere Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt, die allein leben. Manche können keinen Besuch mehr bekommen.

Viele Menschen können nicht gut mit sich allein sein. Düstere Gedanken wallen auf wie schwere Nebel. Viele Familien sitzen dicht gedrängt in engen Wohnungen und fühlen sich allein in ihrer Not.

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Alleinsein tut den meisten nicht gut. Im Moment ist es notwendig, uns getrennt von anderen aufzuhalten. Notwendig – um die Not zu wenden. „Zuhause bleiben“ - damit es uns allen gut gehen kann.

Düstere Gedanken mögen aufwallen. Z.B.: Das vereinte Europa ist am Ende. Alle errichten wieder Grenzen. Jedes Land schaut nur darauf, wie es sich selbst hilft.

Aber: Im Augenblick liegt die Grenze eigentlich schon an der Wohnungstür.

Es fällt schwer, diesen Gedanken zu akzeptieren. Es ist im Grunde unwesentlich, ob die Wohnung in Lüneburg, in Clamart (Frankreich), Ivrea (Italien), Tartu (Estland) oder Naruto (Japan) steht. Wir bleiben allein zu Hause - für alle. Für alle Menschen in dieser Stadt, in Europa, in der ganzen Welt. Denn diese Krise betrifft alle Menschen auf der Erde.

Es ist gerade eine schwere Zeit. Aber es wird nicht immer so bleiben. Es ist nicht das Ende. Nicht das Ende der Demokratie. Nicht das Ende der Menschlichkeit. Wir Menschen sehen meist, was vor Augen liegt. Daran halten wir uns fest.

Was wir sehen, macht uns Angst, so wie jetzt gerade.

Es lähmt uns. Schnürt uns die Luft zum Atmen und zum Hoffen ab. Wir fühlen uns allein und verlassen.

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Diese Feststellung von Gott am Anfang der Bibel ist immer noch gültig. „Ich will ihm eine Hilfe machen“, sagt Gott und macht die Menschen zum Paar – zu Mann und Frau. Ich will ihm eine Hilfe machen. Davon hören wir immer wieder in der Bibel.

Gott lässt uns etwas anderes wahrnehmen. Er lässt uns hindurchschauen durch das, was vor unseren Augen steht. Das gilt auch für den Wochenspruch für die kommenden Tage. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

Jesus steht auf den Plätzen Jerusalems. Die Straßen und Gassen sind belebt. Ein Fest wird vorbereitet. Nun kommen sogar schon Griechen und wollen Jesus sehen. Inmitten der geschäftigen und fröhlichen Stimmung sagt ihnen Jesus dieses rätselhafte Wort. Es passt überhaupt nicht in die Situation. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein …

Bitterkeit klingt an. Schmerzen und Leid stehen plötzlich unvermittelt im Raum. Wir Leser des Verses hören die Einsamkeit Jesu hindurch. Am Ende verraten und verlassen ihn alle. Ganz allein mit unsäglicher Pein und Verzweiflung stirbt er am Kreuz.

Jesus spricht mitten auf den belebten Straßen das aus, was für uns der größte Schrecken ist: Ganz allein sein. Aber er lässt uns damit hindurchschauen durch unsere gewohnte Normalität, die wir nun vermissen. Und durch die schwere und unwirkliche Situation, in der wir uns plötzlich befinden.

Diese Worte kann nur er sagen. Denn er ist das Weizenkorn. Er ist die Hilfe, die Gott uns schafft. Das einzige Korn, in dem der Tod seine verewigende Kraft verliert. Aus ihm lässt Gott neues Leben sprießen. Jesus teilt die Einsamkeit aller. Aber aus ihr heraus lässt er neues Beisammensein wachsen.

Wir sind nicht das Korn. Wir sind die Frucht. In der Frucht keimt die Hoffnung. Die Frucht kann andere satt machen. Wir können andere spüren lassen, dass sie nicht allein sind. Denn es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist.

Es ist schön, unsere Fantasie zum Erblühen zu bringen und Zeichen der Hoffnung an andere Menschen zu senden, zu mailen, twittern, ihnen einfach etwas Gutes zu sagen.

Es ist ein Zeichen des Lebens, wenn wir noch einen Blick für die vielen anderen Nöte in der Welt haben – in den Flüchtlingslagern, in den Städten Syriens und anderswo.

In unserer stillen Kammer folgen wir einer Empfehlung Jesu, wenn wir dort beten. Wir können es füreinander tun - bitten um Kraft, um Bewahrung. Wir können Danke sagen für die vielen Zeichen der Menschlichkeit, in denen wir selbst immer wieder Hoffnung schöpfen. Das können wir diesen Menschen selbst sagen, denn das tut gut – im Supermarkt, beim Bäcker, wenn wir zum Arzt oder zur Apotheke gehen, wenn wir die Post bekommen. All das mag uns als wenig erscheinen. Wir müssen hindurchschauen. Es ist ein Teil der vielen Frucht, die wächst, wenn das eine Korn stirbt. Bleiben Sie bewahrt!

Gebet

In dem Korn sehe ich, wie du da bist.
Verborgen unter der Erdkrume und doch gegenwärtig.
Mit der unbändigen Kraft des Lebens kommst du ans Licht, stehst auf, wächst empor.
Wächst in mir, in meinem Herzen.
Machst es ruhig und getrost.
Bist bei mir, ganz gleich was kommen mag –
Du kennst es und hast es durchlitten, was mir Angst macht: Schmerzen, Leiden, Einsamkeit. Tod.
In deinem Sterben sehe ich, was ich sonst nicht wahrnehmen kann.
Was mir täglich vor Augen steht und mir die Zuversicht raubt, sehe ich in deinem Sterben nicht mehr.
Lass viel Frucht in mir keimen.
Hoffnung, Zuversicht und gute Ideen, um andere zu trösten, zu ermutigen, zu erfreuen.

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