Alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Philipper 2,11
Dies ist der letzte Satz aus dem großen Christus-Hymnus im Philipperbrief, dort aus einem Passionszusammenhang. Die Glaubens- und Lebenserfahrung geht davon aus, dass der Gottessohn tot ist. Der Tod ist eine große Macht. Vor ihm und seinetwegen hat der sein Haupt gesenkt, von dem sonst bekannt wird: Er ist der Herr - Jesus Christus, zur Ehre Gottes. Schlimm genug, dass der Tod Menschenleben beenden kann, gewaltsam und zur Unzeit sogar. Schlimmer noch, dass der Tod hier sogar Gottesleben beendet, nämlich Gottes Sohn erfasst, gewaltsam und zur Unzeit. Damit ist wirklich alles, was sonst für normal gilt, aus den Angeln gehoben. Normal wäre: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will" (Albert Schweitzer). Der Tod des Gottessohnes, das ist „das Ende vom Lied", hier herrscht der Tod - über Mensch, über Gott, überall.
Und nun. Punkt, aus?!
Siegbert Stehmann (1912-1945), der Dichter und Pastor, hat in seiner ihn rundherum schwer bedrängenden Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg fragend notiert: „Der Tod marschiert mit schweren Schritten um uns herum und nimmt uns allen unsere Vergangenheit. Wird er uns unsere Zukunft lassen?" Doch dann, mitten in solchen Wahrnehmungen mit weit reichenden Erschütterungen, schreibt er ein Gedicht über den Tod, „Media in morte - mitten im Tod": „Jetzt hat der Tod sein Recht! Jetzt fällt das Wort,/ Und Menschenlaut gefriert auf Menschenmunde. /Unsägliches nimmt das Gesagte fort." Ein ganz todbezogener Anfang, aus dem Eindruck gespeist: Stumm macht und ist der Tod. Kein Wort gelingt mehr, kein Laut, kein Lied, kein Kuss. Stattdessen aber: Unsägliches, Gefrierendes, Fortreißendes allenthalben. Dem sich stellen, dieser Wucht, diesem Erleben. Doch nicht, um darin ganz auf- und unterzugehen, sondern um da heraus, todbetroffen zwar, aber doch am Leben, lebendig weiterzufragen. So fährt Siegbert Stehmann fort: „Vielleicht verschließt das Schweigen deine Wunde,/Und still verharrend am gesetzten Ort,/ Verwandelst du die wandelbare Stunde.//In sanfter Hoheit, doch verborgen, leiht/Der Geist dir wieder waltend das Gesunde/Und das Gewissen für die ganze Zeit.//Darin verweile! Solchem starken Bunde/Weicht wohl des Todes Schmerzgerechtigkeit./Du hörst das WORT und seine heilge Kunde!"
Ob wir ihn im Hören vernehmen? Den die Strophen übergreifenden, sie miteinander verschränkenden Reim? Die Auftaktstrophe vom beherrschenden Tod wird einbezogen ins noch folgende: Wort - fort - Ort; leiht - Zeit - Schmerzgerechtigkeit. Zwei dreifache Reime sind kunstvoll eingefügt in einen sechsfachen: Menschenmunde - Wunde - Stunde - Gesunde - Bunde - Kunde. Das sind ja lauter Worte, die „und" enthalten, also sagen: Es führt weiter, es geht weiter. Vom Unsäglichen des Todes ins Lebens-Wort, vom bösen Ende hin zum verwandelnden Neuanfang. Alles kann sich wandeln. Genauer: Alles kann Gott wandeln, immer neu.
„Darin verweile!" Du bist mit Gott im „starken Bunde", denn auf keinen Fall kündigt Gott, der Lebendige, seinen Bund auf. Alles wurzelt unverlierbar in Gottes Treue. Wirklich alles, und also auch du! „Darin verweile!" Gottes Wort trägt - durch allen Tod hindurch und über ihn weit hinaus. Schweigend halte dich an Gott, bis dieser Bekenntnissatz aus dem Passionshymnus dir zuwachse, dein Einstimmen finde: „Alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters." Durch den Tod hindurch und ihm zum Widerspruch. Gott kann mit allem etwas anfangen, sogar mit dem Tod, der sonst nur beendet. Aus stummer Todbezogenheit wird lebendiges Bekenntnis - zum lebendigen Christus. Wohlan!