Jesus Christus spricht: Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Matthäus 5,16
Der Gottesdienst stand unter dem Thema „Segen". Dass Gott uns seinen Segen schenkt. Dass Segen manchmal an unvermuteten Stellen aufleuchtet. Dass Segen mitunter erkämpft sein will ... Eine Frau ist hinterher nicht ganz zufrieden damit und spricht mich an: „Hätten Sie nicht noch sagen sollen, dass wir den Segen an andere weitergeben müssen?"
Sicher, das ist richtig. Aber ich hatte es bewusst ausgespart. Diesmal sollte es einfach einmal darum gehen, Segen anzunehmen und sich seiner zu freuen. Ohne gleich wieder überlegen zu müssen, wie jede und jeder das Geschenk nutzbringend einsetzen könnten. Nicht immer etwas sollen, nicht immer etwas müssen - wie es sonst immer ist. Vor allem auch in der Kirche.
Liege ich damit falsch? Der erste Blick auf unseren Monatsspruch lässt es vermuten: Wir sollen unser Licht leuchten lassen. Die Leute sollen unsere guten Werke sehen. Und das Lob dafür soll noch nicht einmal uns gelten, sondern dem Vater im Himmel. Da ist es wieder: das Sollen, das Müssen! Und eine Menge Verantwortung, wenn unser Tun auch noch das Lob Gottes wecken soll.
Wirklich? Habe ich genau hingeschaut? Geht es Jesus wirklich darum, uns eine Last aufzubürden - so, als hätten wir nicht schon genug davon?
Da denke ich an Erlebnisse, wo es tatsächlich so gewesen ist: Menschen haben ihr Licht leuchten lassen. Andere haben es gesehen und dankbar aufgenommen.
Das erste: Im Raum herrscht quirlige Unruhe. Unten auf dem Boden bauen kleine Kinder einen Turm aus Bausteinen. Eine Mutter kniet mittendrin und erzählt dazu eine Geschichte. Drüben am Tisch sitzen die anderen Mütter der „Krabbelgruppe" beim Tee und tauschen sich aus, wie das mit der Erziehung gehen kann, was schwierig ist, was schön ... Ein paar Monate später sagt eine von ihnen: „Seit ich diese Gruppe erlebe, weiß ich, dass es Gott gibt." Nein, es waren keine frommen Worte, die diese Gewissheit in ihr geweckt haben. Einfach, dass sie kommen kann mit ihrem lebhaften, manchmal anstrengenden Sohn, dass sie sein darf, wie sie ist, nichts erklären, nichts vorspielen muss - das hat sie aufatmen lassen.
Genauso Max. Sein Freund hat ihn einfach mitgeschleppt zur Christenlehre. Die anderen Kinder waren auch gleich freundlich zu ihm. Das kennt er sonst kaum. In der Schule hat selten jemand Sinn dafür, dass er in der Freizeit nicht so viel unternimmt wie die meisten. „Du mit deinen Viechern!" Aber der Hund, die Katzen, die Meerschweinchen, das Pferd versorgen sich nun mal nicht von allein. Und die Mutter braucht die meisten Kräfte für den behinderten großen Bruder im Rollstuhl. Hier reagiert niemand genervt, wenn er von ihnen allen erzählt. Oder wenn Hasso während der Stunde unter dem Stuhl liegt. Nach zwei Jahren wünscht sich Max: „Ich möchte getauft werden." Die ganze Gruppe feiert mit ihm dieses Fest.
Geschichten aus dem Alltag. Hier ist etwas aufgeleuchtet vom Licht, das die Leute sehen sollen. Hat es dafür besonderer Anstrengungen bedurft? Haben die, die es ausgestrahlt haben, sich besonders darum bemühen müssen, um nur ja zum Ziel zu kommen? Wahrscheinlich wäre es dann gerade verkehrt geworden.
Der zweite, genauere Blick auf unseren Monatsspruch lässt mich ahnen, dass es hierbei eigentlich genau um dasselbe geht wie in dem Gottesdienst zum Segen: Wir brauchen gar nicht immer etwas „sollen" und „müssen". Wir dürfen etwas: nämlich den Segen, der uns geschenkt ist, annehmen und uns seiner freuen: z. B. der Gemeinschaft in unserer Gemeinde, der Menschen, die hier miteinander etwas wollen. Oder der wunderbaren Botschaft, die wir haben als einen kostbaren Schatz. Oder der Taufe, in der Gott gerade ohne jegliche Vorleistung sein Ja zu uns sagt.
Unser Staunen darüber, unsere Freude und Dankbarkeit werden dann ganz von allein zum Licht. Und wenn wir das nicht verschämt unter den Scheffel stellen, strahlt es auch hin zu den anderen.
Dass die den Vater im Himmel dafür preisen, können wir nicht „machen". Sondern das ist dann wohl sein eigenes Werk.