Der Monatsspruch im Januar 2008

Du bist ein Gott, der mich sieht.
1. Mose 16,13b

Kein Platz war für sie da
kein Mensch war ihr mehr nah
irgendwie war sie zu viel
floh in die Fremde ohne Ziel

Verlassen und allein
fand sie sich dort ein
war in ihrem Elend zu Haus
und wusste nicht mehr ein noch aus

Ein Engel hat sie dort erkannt
sie beim Namen genannt
hat ganz tief ihr Herz bewegt
und Hoffnung in sie gelegt

Ein Feuer war entfacht
und hat sie froh gemacht
ihr Schrei nach Leben wurde erhört
Gott hat ihr Gutes beschert

Du bist ein Gott, der mich anschaut
Du - ein Gott, der mich sieht
Du - ein Gott der mir vertraut
Du - der mich liebt
(Text und Melodie des Lieds: Frieder Gutscher)

Hagar - dieses Lied erzählt die Entdeckung der ägyptischen Sklavin von Abraham und Sarah nach. In ihrem Elend, wo sie nicht mehr ein noch aus wusste, da wurde sie von Gott gesehen, ja noch mehr: angesehen und erkannt. Darum antwortet sie: „Du bist ein Gott, der mich sieht."
Bis zu dieser Entdeckung muss sie ganz unten durch. Zunächst führt ihr Weg allerdings steil nach oben: Die Sklavin der kinderlosen Herrin Sarah wird zur Leihmutter und damit zur Mutter des Erben. Sie ist schwanger von Abraham. Endlich ist sie wer. Endlich ist sie angesehen und wertgeschätzt. Endlich hat sie Bedeutung - und die wird noch weiter wachsen. Doch ihr wachsendes Selbstbewusstsein und ihre Überheblichkeit kommen sie teuer zu stehen. Sarah beschwert sich zornig bei Abraham und verlangt die Wiederherstellung der Verhältnisse von oben und unten, Sklavin und Herrin. Und Abraham erlaubt ihr, die Sklavin zu demütigen und zu prügeln - bis sie wieder weiß, wer sie ist - eine Sklavin eben.
Hagar ist verbittert, zornig, chancenlos und tief gedemütigt. Sie kann nicht begreifen, dass Abraham sie nicht schützt und zu ihr steht. Vor der Gewalt, die gegen sie angewendet werden soll, flieht sie. In der Wüste, an einer Wasserquelle wird sie schließlich gefunden.
Und dort geschieht Seelsorge.
Der Fremde nimmt sie wahr, bevor sie es merkt. Er sieht sie und spricht sie an - aufmerksam und wertschätzend. Er spricht ihr Zukunft zu und sieht schon weiter, als man im Moment sehen und erkennen kann. Er sieht sie und ihr Leben in der Verheißung Gottes. Er ist wirklich ein Engel, ein von Gott Geschickter.
Und so begreift Hagar später: „Du bist ein Gott der mich sieht." So wie sie von dem gesehen und angesehen wurde, den Gott geschickt hat, so sieht Gott sie selbst. Er sieht ihr Elend und ebenso ihre Sehnsucht nach dem Leben und der Zukunft und der Wertschätzung und ihre Sehnsucht nach Liebe. Und Gott hat etwas mit ihr vor. Er sieht Hoffnung und Zukunft für sie. Er sieht sie im Licht seiner Verheißung.

Mancher Hagar begegnen wir: Frauen, die geschlagen werden und misshandelt, Frauen, die aus untragbaren Zuständen fliehen, Frauen, die in ihrer Hoffnung und in ihren Träumen von einer besseren Zukunft bitter enttäuscht wurden. Manche Frauen fliehen lieber in die Wüste, in die Einsamkeit, als länger Auseinandersetzungen zu ertragen. Manche wissen nicht mehr weiter. Sie haben die Hoffnung für sich verloren. Sehen wir Hagar unter uns? Nehmen wir wahr, wenn jemand fertig ist, fertig mit sich und mit der Welt? Schauen wir hin und sprechen wir an? „Woher kommst du?" und: „Was hast du vor?" Leben wir im Vertrauen: „Du bist ein Gott, der mich sieht"? Geben wir dieses Vertrauen und diese Entdeckung auch weiter?
Wir können aufmerksam hinsehen und weiter sehen. Wir können Menschen im Licht der Verheißungen Gottes sehen - und damit können wir ein Feuer der Hoffnung entfachen. Das hilft und ermutigt und stärkt. Und es hilft Menschen, dass sie entdecken: „Du bist ein Gott, der mich sieht!"

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