Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Römer 5,1
Die Gedanken schweifen in die Ferne. Immer wieder hält Paulus inne. Dieses Schreiben ist keines wie all die anderen zuvor. Und die Gemeinde ist auch keine wie all die anderen zuvor. Vor seinen Augen baut sich diese riesige Stadt auf, eine Millionenstadt! Sie ist der Angelpunkt der ganzen Welt. Wie lange will er schon dorthin reisen? Dieser Ort ist der Zielpunkt, von Anfang waren alle Gedanken auf diese Stadt gerichtet. Roma, er lauscht dem Klang des Wortes. Von der Stadt aus Ziegeln ist eine Stadt aus Marmor geworden, erklärte voller Stolz Augustus. Dieses so reiche, dieses so unersättliche Rom. Augustus, der Friedenskaiser. Auf dem Marsfeld hat er den Friedensaltar errichten lassen. Er zeigt ihn und seine Familie beim Opfer an die Götter. So präsentierte er sich als Friedenskaiser. Pax Romana, das bedeutete Frieden und Wohlstand. Gewiss, die Freien profitierten davon, sie wurden noch reicher.
Paulus denkt an die Gemeinde. Es sind Kaufleute, Händler, Handwerker. Sie werden ihren Gewinn daraus ziehen. Aber da gibt es auch die Tagelöhner und die Unfreien, sie haben diesen Frieden zu tragen, auf ihrem Rücken ruht er. Sie werden deswegen nicht weniger ausgebeutet, sie haben deswegen nicht mehr Rechte. Dies ist nicht ihr Frieden. Die Götter des alten Roms ändern die Welt auch nicht. Sie soll bleiben, wie sie ist, darum opfern der Kaiser und seine Familie ihnen. Aber kann Frieden denn nicht auch bedeuten, dass sich diese Welt ändert, dass die Unfreien frei werden und die Unterdrückten Gerechtigkeit erfahren?
Da ist weder Grieche noch Jude, weder Freier noch Unfreier, weder Mann noch Frau. Der Friede Gottes hebt alle Grenzen auf. Schalom meint eine Gerechtigkeit, die der ganzen Welt gilt. Ist das Revolution, werden da alle Verhältnisse umgedreht? Haben nun alle endlich dieselben Rechte? Nein, auch Paulus verändert diese Welt nicht. Der Herr bleibt Herr und der Sklave Sklave. Und doch verändert sich ihr Verhältnis, denn ihr beider Leben hat nun denselben Grund. Beide haben in Jesus Christus ihren Frieden in Gott gefunden. Im Glauben sind die Unterschiede aufgehoben, der Friede gilt beiden gleich. Muss sich das nicht in ihrem Leben auswirken? Kann es da auf Dauer sein, dass es Freie und Unfreie gibt? Müssen die Gemeinden nicht versuchen vorzuleben, was das konkret bedeutet?
Sie kommen zum Gottesdienst zusammen, sie teilen das Abendmahl, sie geben sich vielleicht das Zeichen des Friedens. Können sie da im Alltag leben, als hätte es das alles nicht gegeben? Muss sich ihre Welt nicht ändern, langsam, aber spürbar? Muss ihr Verhalten nicht die Welt ändern, langsam, aber stetig? Das alles kann möglich werden, wenn die Mitte klar bestimmt ist. Auf dem Friedensaltar opfert Augustus und seine Familie den Göttern, um für den Erhalt des Friedens zu bitten. Für Paulus hat Gott in Jesus Christus mit den Menschen Frieden geschlossen. Es ist genau umgekehrt. Und weil es nicht mehr an den Menschen liegt, wird dieser Frieden auch Bestand haben.
Dieser Friedensschluss hat Konsequenzen, aber sie lassen sich nicht mit Gewalt einfordern. Sie lassen sich nur leben. In den 2000 Jahren der Geschichte christlichen Glaubens hat dieser Frieden wechselhafte Folgen gezeigt. Er hat Freiheit begründet und Unfreiheit legitimiert, er hat Recht geschaffen und Ungerechtigkeit zugelassen, er ist gebraucht und missbraucht worden. Er wurde zum zweischneidigen Werkzeug. Wo aus diesem Frieden aber gelebt worden ist, schlicht und in aller Einfachheit, da hat er überall in der Welt Zeichen gesetzt, Anfänge für Recht und Gerechtigkeit, für Verständnis und Versöhnung.
Die Gedanken schweifen in die Ferne, sie überschreiten die Grenzen, sie reichen über die Zeit hinaus. Sie reichen auch über unsere Gegenwart hinaus. Und doch beginnt dieser Frieden hier und jetzt.
Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn (Röm 5,1). Sagt Paulus.