Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.
2. Mose 15,2
Die Zeit der Plagen ist zu Ende. Sie ist überwunden, die nackte Angst ums Überleben. Wir sind durchgekommen. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Endlich sind wir frei. Wir sind das Volk. Noch ehe Mirjam zur Pauke greift, stimmt Mose mit den Israeliten an: Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden. Vorbei ist das Sklavendasein in Ägypten. Der Unterdrücker musste das Volk laufen lassen. Weg, nur weg hier. Wohin sollen wir gehen? Den nächstbesten Weg? Gott zieht vor ihnen her. Mit der Wolkensäule führt er sie bei Tage. Die Feuersäule leuchtet ihnen den Weg bei Nacht. Es ist ein Umweg. Er führt durch die Wüste. Sind wir hier noch richtig? Mose, warum hast du uns das angetan? Fürchtet euch nicht. Mose wirkt beruhigend auf die Ungeduldigen ein. Gott wird für euch streiten, und ihr werdet ganz still werden. Auf wundersame Weise teilen sich die Fluten des Schilfmeeres, und trockenen Fußes erreichen alle das rettende Ufer.
Meine Stärke ist Gott, meine Schwäche bin ich selber. Jürgen ist drogenabhängig. Er kennt sich aus mit seinen Schwächen. Seitdem er 16 ist, nimmt er das Zeug. Aus purer Langeweile fing er damit an. Jetzt sitzt er im Gefängnis. Vorher zog er mit anderen durch die Gegend. Er schwänzte die Schule. Er flog runter, ohne Schulabschluss. Jürgen führte ein aufreibendes Leben. Das war wirklich Stress. Geld musste beschafft werden, um Drogen kaufen zu können. Diebstähle, sogar Raub waren sein Geschäft. Es blieb keine Zeit, den Streit mit seiner Mutter wieder ins Reine zu bringen. Es blieb keine Zeit, Freundschaften zu pflegen. Der Stoff regierte ihn. Nun sitzt er da, blass und mit schlechten Zähnen. Die Freunde kümmern sich nicht. Mutter kommt nicht zu Besuch ins Gefängnis. Jürgen ist verunsichert und auch froh. Er ist froh, dass durch seine Inhaftierung der Stress da draußen für ihn vorbei ist. Endlich hat er Ruhe. Langsam bekommt er einen klaren Kopf. Er fängt an, nachzudenken. Das tut weh. Er sieht sein Leben. Nichts hat er bisher auf die Reihe bekommen. Er hat nichts, er kann nichts. Aus diesem großen Nichts kommt er nie raus. Und er erinnert sich an so etwas wie Vergebung. Er wird erinnert an Gott, der Menschen aus Abhängigkeiten befreit. Und er will es nicht glauben. Er hört Geschichten von Jesus, wie der Gescheiterte achtet. Ja, andere achtet Jesus, aber ihn doch nicht. Er ist es nicht wert. Wenn das mit Gott doch nur wahr sein könnte. Gott ist meine Stärke, meine Schwäche bin ich selber.
Das ist unser Lied. Den beiden Verliebten ist es zugeflogen. Es ist ihr Song. Kann er mal nicht bei ihr sein, dann hört sie dieses Lied, und er ist ihr ganz nahe. Sie fühlt sich nicht mehr einsam. Mein Lied ist Gott, singt Mose in seinem Glück. Zusammen mit den Befreiten erhebt er seine Stimme und schmettert Lob- und Danklieder in den Himmel. Gott ist ihnen nahe. Gott ist nahe, wie er auch nahe war, als ihnen das Singen vergangen war auf den scheinbaren Umwegen in der Wüste. Lieder erinnern an Momente des Glücks. Mit allen Sinnen folgen wir ihrer Melodie. Sie führen uns über die gegenwärtigen schweren Zeiten hinaus. Von Taizé aus ging es um die Welt, das Lied: „ Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht' mich nicht."
Mein Lied ist Gott. Gott ist für mich zum Retter geworden. Ich sehe mein Leben neu. Ich mache mir nichts mehr vor. Ich sehe die Realitäten und entdecke die Gefahren. Umwege entpuppen sich als der richtige Weg. „Dieser Weg wird kein leichter sein", sangen Tausende in jenem deutschen Fußballsommer. „Dieser Weg wird steinig und schwer, doch dieses Leben bietet so viel mehr." Gott rettet. Er befreit aus Luftschlössern. Mose, was hast du uns angetan. Gott befreit das Kaninchen, das vor der Schlange erstarrt ist. Fürchtet euch nicht.