Der Monatspruch im Oktober 2009

Gott spricht: Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch.
Hesekiel 11,19 (E)

Manchmal muss ich mir für etwas schwierigere Briefe die Gedanken gut zurechtlegen. Und kaum habe ich meine Gedanken ausführlich sortiert, alles bereitgelegt, gerade angefangen zu schreiben - da klingelt es an der Tür: Der Nachbar braucht eben den Garagenschlüssel von mir. Das ist schnell geklärt, aber die mühsam geordneten Gedanken sind eingestürzt wie ein Kartenhaus. Ich finde den Einstieg nicht mehr. Ärgerlich denke ich an den störenden Nachbarn. Eigentlich dauerte seine Störung nur eine Minute - da müsste ich mich doch gar nicht so aufregen. Um so mehr ärgere ich mich über mich selbst, dass ich mich so aus dem Konzept habe bringen lassen. Und je intensiver ich mir klar zu machen versuche, dass die Störung nun wirklich nicht schlimm war, desto weniger komme ich von ihr los. Es stört mich, dass ich mich habe stören lassen durch eine Störung, die doch an sich gar nicht so sehr gestört hat. Es hilft nichts: Der Gedanke beißt sich bei mir fest, ich kann mich nicht mehr auf den Brief konzentrieren und entnervt räume ich das Briefpapier wieder weg. Alles nur wegen des blöden Nachbarn. Solcher Ärger kann eine rechte Eigendynamik entwickeln - ich komme einfach nicht mehr heraus aus der Spirale, so kreisen die Gedanken um sich selbst. Mein Herz wird hart, gefangen in seinem Ärger. Taub und verschlossen ist es, dabei bräuchte es gerade jetzt ein Wort zum Herzerweichen.
Manchmal ärgere ich mich nicht nur über einen verpatzten Brief. Mein Frust geht aufs Ganze: Ich leide nicht nur an mir, auch das Leiden anderer setzt mir zu: die einsame Dame am Ende der Straße, die Arbeitslosen am anderen Ende der Stadt, die Hungernden am anderen Ende der Welt. Das wird mir zu viel, und ich möchte am liebsten abschalten: Die ganzen Probleme sollen mich nicht stören, mein Herz soll hart werden wie ein Stein. Ich möchte meine Augen schließen, mein Herz soll unempfindlich sein, denn sonst wachsen mir die Fragen über den Kopf, nimmt mir das Leid den Atem. Manchmal sehne ich mich nach Gleichgültigkeit wie nach einem Schmerzmittel, das mich betäubt, empfindungslos macht. Wie leicht gewöhne ich mich an dieses Schmerzmittel eines kalten und gleichgültigen Herzens!
So ist mein Herz: Manchmal ist es hart wie Stein, in sich verschlossen und gefangen, manchmal kalt und abgestumpft. Gut, wenn mich dann einer anspricht und aus der Gleichgültigkeit herausholt. Gut, dass es Worte gibt, die diese sich verselbstständigenden Gedankenspiralen durchbrechen. Von wem auch immer sie gesprochen werden, in ihnen wohnt die Kraft Gottes: „Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch." (Hes 11,19) Von solchen Worten lebe ich. Sie befreien mich von mir selbst. Sie stören meine Versuche, mich zu immunisieren. Das kalte und verschlossene Herz brechen sie auf.
Manchmal müssen mich solche Worte erst mühsam über-reden. Mein steinhartes Herz lässt sich nicht gerne erweichen. Denn ein weiches Herz macht sich empfindlich. Es lässt sich berühren - von Glück, aber auch von Leid. Ein lebendiges Herz schlägt, vor Freude wie vor Schmerz. Wie viel ruhiger lebe ich mit einem Herzen aus Stein, an das nichts und niemand herankommt. Gut, wenn solche herzerweichenden Worte beharrlich sind, mich nicht in Ruhe lassen.
Ich habe die Worte Jürgen Moltmanns im Ohr: „Dieses Leben ist für die Hoffnung kein Wartezimmer, in dem man gelangweilt herumsitzt, bis sich die Tür zum Sprechzimmer Gottes öffnet." Er spinnt Gedanken Jesu weiter: Nur wer sucht, der findet, nur wer anklopft, dem wird aufgetan. Das ist der Unterschied: Ein gleichgültiges Herz überwintert, es stellt wie bei einem Wechselblütler über Winter den Betrieb ein, bis bessere Zeiten kommen. Solch gleichgültiges und tatenloses Abwarten ist der Tod der Hoffnung. Hoffnung kann nicht überwintern. Hoffnung, die die Hände in den Schoß legt, verkümmert wie eine Blume ohne Wasser. Das Tun, das Versuchen ist ihr Lebensquell. Nur wer sucht, der findet. Nur wer anklopft, dem wird aufgetan. Das ist bereits der Hoffnung Heilung, dass sie erwartungsvoll sucht, dass sie vertrauensvoll anklopft. Dann beginnt das gleichgültig-kalte Herz wieder zu schlagen. In ihm pulsiert das Blut, warm, lebendig und kraftspendend. Glauben wir solchen Worten, die ein anderes Herz, einen anderen Geist schenken, die das Herz aus Stein aus meiner Brust nehmen für ein Herz von Fleisch. Und sprechen wir sie anderen zu.

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