Freut euch in dem Herrn!
Philipper 3,1
„Na, dann freu dich!"
So eine Antwort riskieren wir, wenn wir einem Jugendlichen einen gut gemeinten Vorschlag machen, der ihn nicht interessiert. Ein unüberhörbar sarkastischer Unterton begleitet dabei seine Aufforderung: freu dich! Ansteckend und motivierend ist so eine Freude gewiss nicht, eher fühlen wir uns als Erwachsene ertappt und ein bisschen bloßgestellt.
Während ich hier über die paulinische Freude nachdenke, tost um unser Haus die schwäbisch alemannische Fastnacht. Die Katholiken tun sich da mal wieder einfacher, denke ich. Bei denen haben Narrenmessen in der Kirche Tradition. Die Freude über die 5. Jahreszeit stellt sich regelmäßig ein mit dem Ausgraben der Fastnacht und dem Anziehen von Häs und Maske.
Wir Protestanten haben es nicht so mit der Freude. Sie steht im Verdacht, oberflächlich zu sein, nur Laune und Stimmung anzuheizen und vom Wesentlichen abzulenken. Schließlich geht es um letzte Wahrheiten, wenn wir Gottesdienst feiern, die Bibel lesen oder Verantwortung für die Welt wahrnehmen, und das ist schließlich eine ernste Sache.
Warum, so frage ich mich, sprechen die Evangelien so unverhohlen vom Freuen? Man kann geradezu die An-stiftung zur Freude als roten Faden durch das Neue Testament erkennen. Und das, obwohl die Umstände eher das Gegenteil erwarten lassen.
Bereits die Geburt Jesu unter römischer Besatzung lässt Engel Freudenbotschaften verkünden. Die Nachricht des Mannes aus Nazareth ist eindeutig: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt.
Ein späterer Zeuge besingt in seinem bekannten Lied „Jesu, meine Freude" den Gewinn der Frohen Botschaft: Selbst Dämonen, Nacht- und Trauergeister müssen weichen. Einmal entmachtet, werden sie Tag für Tag im Leben der Glaubenden außer Kraft gesetzt. Denn im Gegensatz zu Goethes Zauberlehrling kennt dieser Freudenmeister das Wort, das auch an menschlichen Abbrüchen und Tiefpunkten Einhalt gebietet und der Freude die Bahn brechen kann.
Nur so lässt sich erahnen, warum der Apostel Paulus einen Brief an die Gemeinde der Philipper schreibt mit dem Leitmotiv der Freude.
Paulus befindet sich in Gefangenschaft. Er weiß nicht, ob er je wieder freikommt. In seiner Lage ist er auf Gaben und Zuwendungen anderer angewiesen. Aber statt sich zu beklagen oder sich von Krisennachrichten aus Philippi erschüttern zu lassen, ermutigt er: Freut euch in dem Herrn! Und das klingt weder aufgesetzt, noch wird hier die Realität verdrängt.
Paulus weiß, dass der Glaube einsam machen kann. Der schnelle Applaus ist ihm eher fremd. Und doch hat es Paulus an sich selbst und an andern erlebt: Der gekreu-zigte und auferstandene Christus kann Menschenherzen zur mutigen Freude hin verändern. Die Freude der Pur-purhändlerin Lydia aus Philippi hat sich auf ihre ganze Umgebung übertragen. In die zweite Reihe rückten dabei guter Ruf und erfolgreiche Geschäftsbeziehungen. Was können mir Menschen tun? Ihre Macht bleibt begrenzt und befristet angesichts dieses weiten Horizonts.
Da werden Gefängnistüren aufgestoßen, durch die der Geist der Freiheit bläst. Türen gehen auf zur Freiheit von momentanen Stimmungen, von zwingenden Abhängigkeiten. Räume für neue Gedanken schließen sich auf.
Diese Freude kapituliert nicht vor jeder Krise. Sie kann aber Menschen durch Tiefpunkte hindurchtragen. Vor allem kennt sie den Widerspruch, wo Menschen das Recht zur Lebensfreude abgesprochen wird.
Freut euch in dem Herrn! Das ist kein Befehl. Aber diese Freude ereignet sich, wenn wir uns gegenseitig an den Grund erinnern und überraschen lassen von dem, was da mit uns geschieht.
Dann hat die Freude im Herrn wieder ganz irdisch gegenwärtige Auswirkungen.
Auf was freuen Sie sich am meisten?, frage ich einen Mann, der nach neun Wochen Krankenhausaufenthalt nach einem Schlaganfall wieder nach Hause darf.
Auf meine Kirche, antwortet der langjährige Mesner, und auf selbst gemachte Bratkartoffeln.
„Die Freud ist eyn frucht und folge des glawbens … Denn yhe mehr glawbens da ist, yhe mehr solch freud …. Glewbistu aber, ßo ists nitt muglich, das davon deyn hertz nitt sollt für freuden ynn Gott lachen" (Martin Luther, zitiert nach Eduard Lohse, Freude des Glaubens, 2006)