Gott zur Ehr', dem Nächsten zur Wehr! – Vereinsfest der Freiwilligen Feuerwehr

Hier, in diesem Haus steht der Leitspruch der Freiwilligen Feuerwehr: „Gott zur Ehr', dem Nächsten zur Wehr!" Darüber wollen wir miteinander nachdenken.

Der zweite Teil des Wahlspruches „Dem Nächsten zur Wehr" entspricht der Überzeugung jedes Feuerwehrmannes und jeder Feuerwehrfrau. Denn ihr setzt euch dafür ein, Feuer und Schaden von eurem Nächsten abzuwenden und ihm sein Hab und Gut zu bewahren. „Feuerwehren", so steht es auf den Aufklebern an euren Autos, „löschen, retten, bergen, schützen".

Aber wie steht es mit dem ersten Teil des Wahlspruchs: „Gott zur Ehr'"? Ich bin ziemlich sicher, ihr seid noch nie auf die Idee gekommen, dass ihr euren ehrenamtlichen Feuerwehrdienst zur Ehre Gottes tut. Manch einer von euch wird sagen: „Ich glaube nicht an Gott" und denkt dabei an den „lieben Gott" in Gestalt eines alten Mannes mit weißem Bart, der im Himmel wohnt und von dort dem Geschehen in der Welt zusieht.

Ein anderer sagt: „Ich kann mir unter Gott nichts vorstellen. Er ist keine Realität für mich. Er kommt in meinem Leben nicht vor."

Wieder ein anderer sagt: „Das Wort ,Gott' ist so oft für menschliche Zwecke missbraucht worden, dass ich mich scheue, es in den Mund nehmen. Im Namen Gottes wurden Kreuzzüge gegen Andersgläubige geführt. Im Namen Gottes wurden Ketzer und Hexen verbrannt. Im Namen Gottes wurden sehr weltliche und machtlüsterne Ziele verfolgt und gewaltsam durchgesetzt. ,Gott mit uns' stand auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten, die neutrale Länder widerrechtlich besetzten, andere Länder mit Waffengewalt überfielen und damit den Zweiten Weltkrieg auslösten, der 55 Millionen Menschen das Leben kostete. - ,Gott mit uns' gegen die anderen? Niemand hat das Recht, Gott für die eigene Sache gegen die Sache der anderen in Anspruch zu nehmen; denn er ist der Gott aller Menschen."

Ja, es stimmt, das Wort „Gott" ist auf vielfältige Weise missbraucht, mit Blut besudelt und geschändet worden. Sollte man es deshalb nicht aus unserem Wortschatz streichen? Wäre es da vielleicht ehrlicher, den ersten Teil des Satzes fortzulassen und nur zu sagen: „Dem Nächsten zur Wehr"?

Dennoch, obgleich das Wort „Gott" für menschliche Zwecke missbraucht worden ist und immer wieder missbraucht werden wird, müssen wir von Gott reden. Dabei geht es nicht um das Wort „Gott", sondern um die Wirklichkeit, die damit gemeint ist, die Wirklichkeit, die wir mit unseren fünf Sinnen nicht wahrnehmen und mit unserem Verstand nicht begreifen können, weil sie höher ist als unsere Vernunft, und die dennoch wirklich ist, weil sie wirksam ist.

Wenn wir „Gott" sagen, reden wir vom Ursprung aller Dinge, aus dem alles hervorgeht und in dem alles besteht.

Wenn wir „Gott" sagen, sprechen wir von dem Sinn, der in allem Geschehen waltet, auch wenn wir ihn nicht verstehen.

Wenn wir „Gott" sagen, sprechen wir von dem Ziel, auf das alles Leben ausgerichtet ist und in dem es Erfüllung findet. Oder meint ihr, alles, was ist (wir selbst eingeschlossen), sei nur aus Willkür und Zufall entstanden? Meint ihr, es walte kein Sinn in dem, was geschieht, es sei alles sinnlos oder gar widersinnig? Meint ihr, die letzte Wirklichkeit, auf die alles Leben abzielt, sei der Tod, das Ausgelöschtwerden alles dessen, was ist? Nur wenn ihr das ernsthaft meint, könntet ihr sagen: Ich glaube nicht an Gott.

Und was ist das Wesen der Wirklichkeit, die wir „Gott" nennen? Was ist das für eine Kraft, die „die Welt im Innersten zusammenhält"? Was ist das Wesen der Wirklichkeit, die Ursprung, Sinn und Ziel alles Seins ist?

Die Bibel sagt: die Liebe. An Gott glauben heißt also: in der Liebe zum Nächsten, zu unseren Mitmenschen und zu unseren Mitgeschöpfen leben.

Wenn wir den ersten Teil eures Wahlspruches „Gott zur Ehr" streichen würden, dann würde auch der zweite Teil „Dem Nächsten zur Wehr!" wesentlich verändert werden; denn damit würde der Sinnzusammenhang aufgehoben, in dem er zu verstehen ist. Damit würde der Hinweis auf die Wirklichkeit wegfallen, die alles Leben bestimmt. Damit würde unser Leben und Handeln den Horizont verlieren, in dem es geschieht.

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Ihr kennt alle den Satz: „Tue Recht und scheue niemand." Ein beliebter Spruch für so genannte Poesiealben. Ursprünglich lautete er: „Fürchte Gott! Tue Recht und scheue niemand." Weil man sich unter Gott nichts mehr vorstellen konnte, ließ man den ersten Teil des Satzes einfach weg, ohne zu merken, dass sich sein Sinn dadurch wesentlich veränderte.

„Fürchte Gott", das heißt, dass wir Ehrfurcht haben sollen vor der Wirklichkeit, die wir „Gott" nennen, dass wir sie beachten und achten, uns nach ihr ausrichten und uns scheuen, ihr zuwider zu handeln. Ehrfurcht zeigt sich darin, dass wir Gott die Ehre geben, indem wir uns ihm unterordnen. Die Gottesfurcht, so heißt es in der Bibel, ist der Anfang der Erkenntnis und der Weisheit. Wo wir die Wirklichkeit Gottes anerkennen und ernst nehmen, da fangen wir an, sinnvoll und wesentlich zu leben.

Wenn wir den Satz „Fürchte Gott!" streichen, dann ist der Satz „Tue Recht!" aus seinem Sinnzusammenhang gerissen. Dann bedeutet er nicht mehr: Tue, was nach Gottes Willen Recht ist, sondern: Tu, was du selbst für Recht hältst. Dann geht es nur noch darum, dass wir unser persönliches Recht (oder was wir dafür halten) gegen andere durchsetzen und am Ende Recht behalten. Das führt zum Streit aller, die um ihr Recht kämpfen, und letztlich gilt dann: Wo das Recht keine Gewalt hat, da hat die Gewalt Recht. Und dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, dass wir auch den zweiten Teil des Satzes streichen, sodass er nur noch heißt: „Scheue niemand!" Setze dich kompromisslos und rücksichtslos gegen andere durch, ohne Skrupel, denn jeder ist sich selbst der Nächste.

Ähnlich wäre es, wenn wir im Feuerwehrwahlspruch den ersten Teil „Gott zur Ehr" weglassen würden und ihn beschränkten auf „Dem Nächsten zur Wehr!" Damit wäre der Sinnzusammenhang aufgehoben. Nach christlichem Verständnis gehören die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten untrennbar zusammen wie die beiden Seiten eines Geldstückes: Wir erweisen unsere Liebe zu Gott darin, dass wir unseren Nächsten lieben. Und indem wir unseren Nächsten lieben, lieben wir Gott, der die Liebe ist.

Wohlgemerkt, es geht nicht um eine allgemeine Menschenliebe: „Seid umschlungen Millionen", sondern um die Liebe zum Nächsten, zu dem, der mir gerade am nächsten ist und meiner Hilfe bedarf.

Indem wir unseren Nächsten lieben und ehren, geben wir Gott die Ehre. Darum ist euer freiwilliger Feuerwehrdienst nicht nur ein Hobby, ein Sport oder eine Freizeitbeschäftigung, sondern ein Dienst am Nächsten und damit Gottesdienst.

Wieso das?, werdet ihr nun verwundert fragen. Was haben wir mit Gott zu tun? Dieselbe verwunderte Frage richtet eine Gruppe von Menschen an den Weltenrichter in Jesu Gleichnis vom Weltgericht. Durch dieses Gleichnis macht Jesus deutlich, worauf es letzten Endes ankommt, was angesichts der Ewigkeit Gottes zählt. Nicht das, was wir in unserem Leben für uns erworben haben, sondern das, was wir für andere Menschen, die unserer Hilfe bedurften, hingegeben haben: für den Hungernden, dem wir ein Stück Brot, für den Durstigen, dem wir einen Schluck Wasser gegeben haben; für den Asylanten, den wir bei uns aufgenommen, für den Flüchtling, dem wir etwas zum Anziehen gegeben haben; für den Kranken oder Gefangenen, den wir besucht haben, und ich könnte entsprechend hinzufügen: für den Mitbürger, dem wir, als sein Haus brannte, geholfen haben, sein Hab und Gut zu bewahren; für den Verunglückten, dem wir erste Hilfe leisteten.

Der Weltenrichter in Jesu Gleichnis sagt das so: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben." Ich bin vertrieben gewesen, und ihr habt mich bei euch aufgenommen usw., und dementsprechend: Ich bin in Gefahr gewesen und ihr habt mich aus dem Feuer, aus dem zertrümmerten Auto gerettet.

Darauf fragen die so Angesprochenen: „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen", wann haben wir dich aus Gefahr gerettet? Sie wissen nicht, was ihr Tun mit Gott zu tun hat.

Jesus antwortet: Was ihr einem bedürftigen Menschen in Not getan habt, das habt ihr mir und damit Gott getan.

Ihr seid Mitarbeiter im Rettungsdienst Gottes. Er ruft in besonderer Weise euch, die ihr euch dafür habt ausbilden lassen und die ihr euch dafür einsetzt, euren Nächsten zu helfen, in den Dienst der Nächstenliebe.

Gebt den ersten Teil eures alten Wahlspruches nicht preis. Er gibt eurem Dienst seine Würde. Ihr seid Mitarbeiter im Rettungsdienst Gottes. Darum soll es dabei bleiben: „Gott zur Ehr', dem Nächsten zur Wehr!"

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