Als alles stille war

Manche Gemeinden kommen nicht damit zurecht wenn man ein längeres „stilles Gebet" einfügt in den Gottesdienst, sei es integriert in das Eingangs-/Bußgebet, sei es integriert ins Fürbittengebet. Am Hüsteln, an der Unruhe spürt man: Diese Gemeinde ist nicht gewöhnt an die Stille.
Zuerst der biblische Gedanke:
Das „Jahr der Stille 2010" wollte helfen, Balance zu finden. Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhe. Gottes faszinierenden Lebensrhythmus entdecken, den er selbst in uns angelegt hat. Neue Impulse bekommen über das fruchtbare Wechselspiel von Aktion und Stille. Stille einbauen lernen in den ganz normalen Alltag von Beruf, Familie und Gemeinde. So stand es im überkonfessionellen Einladungsprospekt.

Wie hältst du's mit der Stille?
Mir scheint das vergleichbar sensibel wie die Frage: Wie hältst du's - Pfarrerin oder Pfarrer - mit dem Geld; mit dem Glauben, mit der Macht, mit der Ehrlichkeit? (... und was da noch anzufügen wäre an sensiblen Bereichen.) Und das Erstaunliche: Irgendwie hängt das Sensible alles zusammen: die Stille, die Macht, das Gebet, die Ehrlichkeit, das Geld.

Mir wird es zu oft zu laut in unserer Kirche. Mir ist zu viel „Event" und zu wenig „Gelegenheit". Zu viel Plakat und zu wenig Substanz. Zu viel Bühne und zu wenig Rolle. Zu viel Rat und zu wenig Konsequenz. Zu viele Worte und zu wenig Wort.

In meinem „Kleinen Spirituale" habe ich geschrieben:
„Gelegentlich erlebe ich mich zerrissen, viergeteilt, verurteilt zum stetigen Blick auf die Uhr, süchtig nach Bildern, Geräuschen und Klängen.
Dann wieder sehne ich mich nach Ruhe und Stille, nach einer Auszeit für Leib und Seele.
Doch wohin ich gehe, ans Meer, in ein Kloster, auf einen Berg - ich nehme den Lärm mit, die unaufgeräumte Seele hat noch so viele Geschäfte zu erledigen.
Warum ist gerade unter denen, die im Alltag mit einer komplexen (elaborierten) Sprache kommunizieren, in den vergangenen Jahren das Bedürfnis nach Riten mit einem einfachen (restringierten) Code gewachsen?
Warum strömen sie zu Zen-Lehrern und Heilern, suchen das rituelle Schweigen, gestalten Osternächte und Kreuzwege, holen die Welt der Symbole wieder zurück in die Kirche?
Die Belastung, der Kommunikationsdruck ist derart gewachsen, dass die Menschen eine Alternative zum Alltag in entlastenden, einfachen Riten suchen. Dort können sie ,mitschwingen', die ,Seele baumeln lassen', müssen sich nicht durchsetzen oder rechtfertigen, müssen nicht argumentieren.
Menschen spüren: Riten heilen. Stille heilt. Der gemeinsame meditative Gesang heilt. Und Menschen sind auf der Suche nach „Tiefenheilung" außerhalb der Schulmedizin.
Stille wird mehr und mehr zum Thema. Menschen stöhnen über Lärm. Hörschäden und Schlafstörungen nehmen zu.
Menschen spüren, dass Stille heilen würde, treffen aber in der Stille auf ihre unaufgeräumten Innenräume, auf die unerledigten Geschäfte und halten der Wucht der Stille nicht stand.
Sie erwarten von Angehörigen geistlicher Berufe Erfahrungen im Umgang mit Stille. Sie suchen geleitete Stille." (Gerhard Engelsberger, Kleines Spirituale für Menschen in geistlichen Berufen, Gütersloh 2004, S.48ff)

Als Berufene und Berufener solltest du deinen Weg gefunden haben, zumindest „unterwegs" sein. Du solltest deinen Gott gefunden haben. Du solltest deinen Ort gefunden haben.
Wenn nicht, bist du ein Übersetzer ohne jenseitiges Ufer. Er wird rudern und rudern und rudern. Doch irgendwann kommen die Insassen des Bootes darauf, dass sie „hinters Licht geführt" worden sind. Und er kann die Schlagzahl erhöhen, die Ruderer austauschen - er wird nicht ankommen. Und die ihm Anvertrauten auch nicht.

So ist es mit der Stille:
Rudern bringt nichts.
Anstrengung lohnt sich nicht.
Die Menschen wollen wissen, ob wir glauben.

Heinrich Waggerl meinte: Advent, das sei die stillste Zeit im Jahr.
Achten wir darauf, was unsere Kirchen machen:
Unsere Adventskirchen zeigen Krippenausstellungen, laden ein zu Adventsmusiken, lassen die Posaunenchöre von den Zinnen blasen. Wir feiern Frauen-, Senioren, Handwerker- und andere Adventsfeiern, pflücken hier einen guten Gedanken und dort eine Weisheit. Allein: Nach der „Zeit der Stille" sind wir müde, ausgelaugt und urlaubsreif.

Mein Rat:
Kein schlechtes Gewissen haben, sondern sich konzentrieren auf die vielen wesentlichen Dienste.
Eher einen Satz weniger sagen.
Weniger erklären.
Weniger wissen.
Öffentlich glauben.
An Weihnachten - erst recht an Ostern - haben wir stellvertretend zu staunen.
Und dies - hier schließt sich der Kreis - geschieht, indem wir schweigen.

Vielleicht noch dies eine:
Wer schweigt, verweigert nicht das Wort.
Wer schweigt, ehrt das Wort.

Nun wünsche ich Ihnen, dass der Dezemberband der PASTORALBLÄTTER Ihnen die Arbeit erleichtert, Anregungen gibt und Freude macht am Dienst für die Menschen.

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