Der Monatsspruch im Mai 2010

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
Hebräer 11,1

Im schönen Mai, in dem uns der Monatsspruch aus dem Hebräerbrief leiten möchte, freue ich mich an der Blütenpracht in Wiesen und Gärten. Ich sehe die Schönheit der Natur, eine wahre Augenweide. In dieser Schönheit die schöpferische Hand Gottes zu sehen, das verlangt noch eine andere Sichtweise. Es ist wie im gewohnten Alltag. Da genügt es oft nicht, Augen zu haben. Ich kann sehenden Auges blind sein. Darum müssen mir die Augen besonders geöffnet werden, um tiefer zu sehen. Zum Beispiel, um den Menschen, dem ich begegne, wirklich wahrzunehmen, seine Gesten zu erkennen, hinter die Fassade zu schauen - denn „du siehst die Weste, nicht das Herz". So hat für mich die Psalmbitte tiefen Sinn: „Öffne mir die Augen, dass ich sehe ..."

Glaube - ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht? Wenn es schon schwer fällt zu sehen, was vor Augen ist, wie viel schwerer muss es sein, an etwas zu glauben, was angeblich unsichtbar ist. Wir kennen den Ausspruch: „Ich glaube nur, was ich sehe", er ist weit verbreitet. Ein renommierter Naturwissenschaftler soll einmal einen Studenten, der sich im Hörsaal dieser Auffassung anschloss, aufgefordert haben, nach vorne zu kommen und seinen Verstand auf den Tisch zu legen. Welch überzeugende Sehschule: nicht sichtbar und doch vorhanden! Es geht um ein äußeres und inneres Sehenlernen, um die Aktivierung einer besonderen Optik, des inneren Auges, sonst bleibt meine Sicht vordergründig, oberflächlich, ohne Tiefenschärfe. „Man sieht nur mit dem Herzen gut", es verbindet äußeres und inneres Sehen.

Glaube - ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht? Eine solche Sicht, ein solcher Glaube, hat es schwer, nicht nur heute, wie aus den Worten des Hebräerbriefes hervorgeht. Denn es gab schon damals in den jungen christlichen Gemeinden Anlass, überzeugend zu erklären, was Glaube ist, und ihnen zu einem Leben im Glauben Mut zu machen. Schwer aus der Welt zu schaffen ist das Vorurteil, Glaube sei ein Nicht-genau-Wissen, das Wort „glauben" lässt eine solche Deutung zu. Biblischer Glaube hat aber nichts mit einer vagen Vermutung zu tun, sondern mit Vertrauen, Gottvertrauen, Vertrauen in das Leben, „eine(r) feste(n) Zuversicht", wie Martin Luther übersetzt. Im Glauben vertrauen wir darauf, dass Gott da ist und uns umgibt. Zu diesem Glauben ermutigt uns in der Fortsetzung des Monatsspruches eine „Wolke von Zeugen", unter ihnen werden zum Beispiel Abraham und Sarah genannt. Im Glauben gehen wir wie sie in eine unbekannte Zukunft. Auch wenn wir wie jene keine Sicherheit haben, wohin unser Weg führt, so warten wir mit ihnen auf die „Stadt Gottes", und wir verbinden damit die Hoffnung, dass Gott uns auf unserem Lebensweg begleitet. Wir bleiben nicht stehen, sondern gehen wie Abraham und Sarah weiter, manchmal ängstlich und voller Zweifel, manchmal zuversichtlich oder mit gemischten Gefühlen. Wie nahe ist uns jener Mensch, der in seiner verzweifelten Lebenssituation gegenüber Jesus ausrief: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben."

Glaube - ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht? Ich bin eingeladen, meine alltägliche Wirklichkeit mit den Augen des Glaubens zu sehen. Die wörtliche Übersetzung des Monatsspruchs hat mich überrascht: „Glaube ist aber Verwirklichung von Erhofftem, ein Beweis für Dinge, die nicht gesehen werden können." In diesem Sinn schafft sich sogar der glaubende Mensch die Welt, die ihn wesenhaft bestimmt. Der Glaube beweist gegen allen Augenschein, dass es noch eine andere Wirklichkeit gibt, die wir nicht sehen können, uns aber zutiefst beseelt: mit einer neuen Sicht, einer festen Zuver-Sicht, einem Zutrauen zu Gott, auch dann, wenn ich seine Wege nicht verstehe. Darum ruft der Hebräerbrief im weiteren Zusammenhang des Monatsspruches dazu auf, einander zu stärken und auf unseren Wegen an jedem neuen Tag dieses Monats „aufzusehen zu Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens". Wie mag es dann im wunderbaren Monat Mai erst schön werden!

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