Gott spricht: „Suchet mich, so werdet ihr leben."
Amos 5,4
Bald ist es wieder soweit: Mit Anbruch der Sommerferienzeit werden sich Millionen von Menschen auf den Weg machen, um der von Rolf Zuckowski besungenen Sommersonnensehnsucht zu folgen. Ferien, das heißt Abschied vom Alltag, die eingefahrenen Wege hinter sich lassen, befreit von den täglichen Pflichten aufatmen und die Seele baumeln lassen. Und dann passiert es manchmal, dass sich die vom Alltagsdruck befreite Seele auf die Suche macht: Seele sucht Leben.
Neben dem Haus am See, dem Tag am Meer und der Wanderung durch die Berge führt die Suche nach Leben gelegentlich auch an unmittelbar religiöse Orte.
Pilgerwanderungen sind spätestens seit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg" auch unter nichtkirchlichen Zeitgenossen wieder populär geworden. Und kirchliche Angebote wie die Urlauberseelsorge und „Kirche unterwegs" erfreuen sich steigender Beliebtheit. Vielleicht weist das auf die Richtung der Lebenssuche vieler Menschen hin: nicht immer höher, schneller, weiter, sondern - gerade abseits des beruflichen Alltags - vor allem tiefer. Eine Suche nach tragfähigem Grund, nach fruchtbarem Boden und sicherem Halt. Es ist Ausdruck eines neuen religiösen Mutes, wenn Menschen sich ohne Garantie auf Erfolg auf diese Suche nach einem spirituellen Grund des eigenen Lebens machen. Und vielleicht auch ein wenig Mut angesichts der Verzweiflung …
Gott spricht: „Suchet mich, und ihr werdet leben." Der Monatsspruch für den Monat Juni aus dem Prophetenbuch des Amos ermutigt mich, die Suche nach Lebensgrund und sicherem Halt nicht abzukürzen oder aufzugeben. „Suchet mich, und ihr werdet leben." Ich bekomme eine klare Richtung für meine Suche. Und diese Navigationshilfe kann ich gut gebrauchen.
Wie leicht ist es ja, sich bei der Lebenssuche zu verzetteln. Viele Lebensgeschichten erzählen davon, wie wir versuchen, unser Leben mit Lebendigkeit zu füllen und ihm tieferen Sinn zu geben: mit Erfolgen im Beruf, mit Anerkennung in der Gesellschaft, mit dem Nervenkitzel bei Extremsportarten, mit einem harmonischen Familienleben. Und doch spüren wir gelegentlich, dass neben allem, was in unserem Leben wichtig ist, noch viel freier Raum da ist. Lücken, die wir trotz aller Anstrengungen nicht vollständig füllen können.
Es ist wie bei einem Gemälde, dem der Hintergrund fehlt: Die Personen und Objekte im Vordergrund erscheinen willkürlich gesetzt und seltsam unverbunden. Unverbindlich.
Von solcher Unverbindlichkeit und Vordergründigkeit redet auch Amos. Denn der Monatsspruch ist Teil einer prophetischen Gerichtsansage. Gott redet seinem Volk ins Gewissen. „Ich kenne eure Freveltaten, wie ihr die Gerechten bedrängt und die Armen unterdrückt" und „Ich hasse eure Feste und kann eure Feiern nicht ausstehen", so hören wir rund um unsern Bibelvers. Mit eindrücklichen Worten warnt Gott die Menschen vor einem Leben, das vordergründig und unverbindlich bleibt. Das sich nicht kümmert um das Leben anderer und das am Ende wohl auf ein Scheitern hinauslaufen wird.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: „Suchet mich, und ihr werdet leben", das ist keine unverbindliche Einladung, auf der Lebenssuche auch mal „ins Religiöse" reinzuschnuppern, sondern das ist das todernste Ringen Gottes um mein Leben. „Lass dich auf mich ein", heißt das. „Lass mich die Lücken schließen. Dann wirst du erleben, wie sich dein Leben verbindet mit allem Leben um dich herum."