Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.
1. Mose 1,27
Der Monatsspruch für den Monat Januar erinnert an das biblische Grundbild vom Menschen. Gott hat uns als Männer und Frauen nach seinem Bild erschaffen.
Heute kommen die Bilder vom Menschen mit der erstaunlichen Macht und Autorität von Experten, Spezialisten, Fachwissenschaftlern in Medizin, Psychologie, Sozialwissenschaft, Ökonomie und Ethnologie ... einher, die uns Laien in der Regel ehrfürchtigen Respekt und Minderwertigkeitskomplexe einjagen. Dabei wird der Blick fokussiert und je nach Fachgebiet notwendigerweise eingeengt z. B. auf den prägenden Einfluss der Gene oder des sozialen Milieus, der Nerven, der Bildungschancen, der gesellschaftlichen oder kirchlichen Funktionstüchtigkeit. Und jedes dieser Bilder ist in sich überzeugend. Aber in dem Moment, wo sie den Anspruch erheben, Antworten auf Ursprung, Wesen und Sinn des Lebens zu geben, werden sie falsch und schädlich. Dennoch wagen wir als Laien kaum zu widersprechen, verstummen demütig und können nur zustimmen, bis wir die nächste vielleicht wieder ganz andere Expertenmeinung hören.
Der Monatsspruch hingegen erinnert uns an das Grundbild vom Menschen als Bild Gottes. Er vermittelt uns zumindest eine Ahnung vom Wesen des Menschen, vom Abglanz Gottes in ihm, von seiner Liebe und Heiligkeit, die uns den anderen in seinem verborgenen Wert sehen lässt. Er gibt uns damit ein Kriterium in die Hand, die vielen Menschenbilder der Experten als Teil-Bilder vom Menschen wahrzunehmen.
Ich hatte die Gelegenheit im vergangenen Sommer die Gedenkstätte „Pirna Sonnenstein" zu besuchen. In „Pirna Sonnenstein" ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940/41 13.720 psychisch kranke und geistig behinderte Menschen. Dies ist ein mahnendes Beispiel, wohin es führen kann, wenn das Grundbild des Menschen als Gottes Ebenbild verloren ist und Wesen und Würde von gewissen Eigenschaften, von Krankheit oder Gesundheit oder von den Fähigkeiten zum technischen Denken, zur Lustempfindung, zur Kommunikation usw. abgeleitet werden.
Sicher sind heute anders als in den Zeiten des Naziregimes solche verheerenden Sichtweisen auf den Menschen weniger präsent. Aber es gehört zum Bewusstsein unserer Zeit, Großes zurückzuführen auf Kleines, Komplexes auf Einzelfaktoren, Erhabenes auf Banales, Geheimnisvolles auf Griffiges, Geistiges auf Gehirnfunktionen, Leben auf komplizierte chemische Prozesse und die Seele auf bestimmte Reiz-Reaktions-Muster. Jede Ebene wird durch eine darunterliegende erklärbar und damit als sekundär entlarvt. Alles ist im Grunde „nichts weiter als". Diese Blickrichtung zieht mächtig „nach unten" und kommt nie beim Menschen als Bild Gottes an. Nun muss es bei dieser „Nichts weiter als"-Sichtweise nicht zwangsläufig zu einer Verabsolutierung von Teil-Bildern kommen. Oft werden die einzelnen Bilder nebeneinander gestellt. Jede hat ihr Menschenbild. Irgendwie hat jeder auch seines. Im besten Fall wird der Versuch unternommen, sie zu addieren und zu einem Gesamtbild zusammenzupuzzeln.
Die Frage, was wahr, gültig und maßgebend ist, scheint hoffnungslos altmodisch und überholt zu sein. Die Frage, was sinnvoll und gut, heilsam und richtig, gerecht und menschenwürdig ist - für einen selbst wie für den anderen Menschen -, die wird zur Geschmacksfrage oder letztlich zur Macht- und Geldfrage. „Die Verwahrlosung des Menschenbildes führt zur Verwahrlosung des Menschen selber." (Karl Jaspers) Solche Menschenbilder sind oft unbewusst und kommen in der Regel recht arglos und unschuldig daher. Man will nur das Beste - und das mit großem Einsatz. Aber in ihnen liegt eben doch ein starker Sog, den Menschen zu reduzieren, in ihm nicht das zu sehen, was er ist: das Bild Gottes! Solche Menschenbilder sind eben „nichts weiter als". Und am Ende kommt einem das „Niedere" wirklicher vor als das „Höhere", hat nicht das Heilende und Heilige das letzte Wort, sondern das Kaputte und Banale.