Hier ruht Dion, ein frommer Mann; er lebte 80 Jahre und pflanzte 4.000 Bäume

Wie kann man ein Leben in vier oder fünf Zeilen fassen?
Viele versuchen es in Anzeigen, die wir lächelnd, staunend, betroffen oder kopfschüttelnd lesen.
Von einem ägyptischen Pharao lese ich als Lebensbilanz auf seinem Grabmal:
„Er regierte 15 Jahre mit der Waage der Gerechtigkeit. In seiner Regierungszeit litt kein Bewohner des Landes Hunger."
Keine Angabe über die Regierungsform, keine Feldzüge und Handelsabkommen, keine Heldentaten, keine Kriege und keine stolzen Bauten, keine großen Veränderungen. Nur diese wenigen Bemerkungen: „Er regierte 15 Jahre mit der Waage der Gerechtigkeit. In seiner Regierungszeit litt kein Bewohner des Landes Hunger."

Ich bin bei der Durchsicht von Kirchenbüchern auf folgende Notiz gestoßen:
„Heute um 8 Glock, an Michaelis 1793, ist Maria Wagnerin gestorben. Sie war eine fleißige Frau. Sie hat 9 Kinder geboren und drei davon begraben."

Ich musste schon einige Todesanzeigen formulieren und erinnere mich an einen Kollegen, der alles festgelegt hatte. Da blieb kein Spalt breit für einen persönlichen Gedanken oder ein biblisches Wort. Ob er Angst hatte, dass die Kolleginnen und Kollegen am Ende sein Credo vermasseln oder - wie man heute sagt - „zutexten" würden?

Du überlegst ja dann doch gleich, was bei dir einst stehen könnte oder sollte. Du hast mit deiner Frau, deinem Mann gesprochen. Wir haben vor Jahren mit den Kindern gesprochen. Aber auch da sind noch Fragen offen. Vielleicht ist das auch gut so, gut christlich, gut evangelisch - die Worte am Ende den Worten anderer zu überlassen, die sich wieder auf Worte anderer berufen.

Wer soll sprechen und wo soll ich liegen; was soll gesagt werden und welche Musik soll erklingen?
Die November-Nummer der PASTORALBLÄTTER ist geprägt von solchen Gedanken. Sie sind im Schwerpunkt dem Totensonntag/Ewigkeitssonntag gewidmet. Sie sollen Ihnen als Abonnentinnen und Abonnenten die November-Aufgaben erleichtern.

Auf einem etwa 1.?800 Jahre alten Grabstein, den man an der Nordküste Afrikas fand, in Tunesien, steht eine mich immer wieder neu bewegende Inschrift über einen Zeitgenossen des Augustinus. Sie heißt:
„Hier ruht Dion, ein frommer Mann; er lebte 80 Jahre und pflanzte 4.000 Bäume."
(Peter Brown, Augustinus von Hippo, Frankfurt 1982, S. 16)

Was bleibt? Nicht nur in Todesanzeigen, auch auf Gräbern, vor allem aber in alten Kirchenbüchern finden sich spannende, erstaunliche Eintragungen. Was bleibt? Man könnte ja Daten festhalten: Geburt, Taufe, Schulbesuch, Heirat, Wohnortwechsel, Arbeitgeber, Vereinszugehörigkeit, Krankheiten, Höhepunkte und Tiefen.
Was bleibt? Wenn dann eines Tages wenigstens vielleicht das bliebe:
„Hier ruht Maria Schöner, sie war eine liebe Frau, sie war der Mittelpunkt ihrer Familie und wurde 84 Jahre alt. Sie hat Gottes Liebe getraut und war eine Wohltat für die anderen. Schön, dass es sie gab."
Wenn das so bliebe, dann würde es reichen. Mehr muss von uns nicht bleiben. „Sie hat Gottes Liebe getraut und war eine Wohltat für die anderen. Schön, dass es sie gab."

Gott weiß die Antwort auf unsere Fragen.
Sterne fallen in den Nächten, Regen fällt auf Sand, Tränen fallen auf ein weißes Blatt Papier, Erinnerungen fallen in Träume.

Was bleibt? Das ist vielleicht die wichtigste Frage, die - unbeantwortet - jeder Tod stellt. Und nur von dort, oder besser: jenseits von dort gibt es wohl eine sinnvolle Antwort, die mehr parat hat als fromme Sprüche. Und da wir nicht dort sind, werden wir uns begnügen müssen mit Bildern der Sehnsucht. Mit Bildern des Glaubens. Aber eben nur mit Bildern.
Deshalb wird mir, je länger ich lebe, der 3. Glaubensartikel so wichtig. Weil ich allein mit diesen Fragen nicht zurechtkomme.
Fragt man mich nach meinem Glauben, dann bin ich manchmal um eine Antwort verlegen. Aber in so wichtigen Dingen macht man anderen nichts vor.

Und dann höre ich die Lieder; bete das Vater Unser in der Gemeinde; sehe Kinder nachwachsen voll Vertrauen; besuche Kranke, dem Ja trotz aller Krankheit näher als dem Nein; sehe Familien, die ihre Kinder taufen lassen; erlebe, wie Menschen teilen; sehe schlimmes Unglück, sehe aber auch die Hilfe; sehe weinende Augen und Menschen, die die Weinenden in den Arme nehmen und trösten; sehe auf dem Friedhof traurige Menschen und spüre dort auch den Trost der Gemeinschaft; höre auf dem Friedhof einen Mann kräftig die Lieder mitsingen, von dem ich das nie gedacht habe; erlebe, wie eigene Vorurteile sich als falsch erweisen; sehe strahlende Augen und spüre Hände, die bleiben; begegne staunend Christen aus anderen Kontinenten und Kulturen; spüre den Heiligen Geist als die schöpferische und heilende Kraft Gottes in der einen Welt.
Mehr und mehr entdecke ich diese Gemeinschaft der Heiligen als große Gnade. Die Gemeinde als eine Gnade mit freiem Zutritt.

Und dann spreche ich mit:
Ich glaube an den Heiligen Geist.
Die heilige christliche Kirche.
Die Gemeinschaft der Heiligen.
Die Vergebung der Sünden.
Die Auferstehung der Toten.
Und die zukünftige Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Das spreche ich dann nicht vor.
Das spreche ich mit.
Und hänge mich an an den Glauben der anderen.

Umso dankbarer bin ich für die uns geschenkte gemeinsame Zeit.

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