Joseph musst du suchen

Es war am Vorabend des dritten Advents des vergangenen Jahres, als Pfarrer Karsten Loderstädt uns seine Kirche St. Annen im Erzgebirge zeigte. Ein Pfarrer samstagsnachmittags im Advent und ein Pfarrerehepaar, das bei ihm an die Tür klopft. Dankbar waren meine Frau und ich für einen trockenen Platz und eine Tasse Kaffee.

Schon zuvor war ich lange vor diesem kleinen, nicht mehr als 80 auf 80 cm großen holländischen Altarbild gestanden, vielleicht dem größten Schatz der St. Annen-Kirche in Annaberg. (Es gibt leider keine wirklich gute Fotografie. Im Zweifel dem Kollegen Loderstädt oder mir mailen: karsten.loderstaedt@evlks.de.)
Ungeschützt hängt dieses großartige Bild rechts im Seitenschiff der beeindruckenden Kirche. Weil der fehlende Schutz eher vor Dieben schützt, meinte der Pfarrer.
Dunkel. Alles Licht kommt vom Kind, steigt auf zur Mutter.
Joseph musst du suchen.
Ich habe den Kollegen gefragt:
Wo ist denn Joseph?
Ja, links steht er.
An der etwas dunklen Ecke, an der das alte Altarbild hängt, erkennt man fast nichts. Die Farben sind nachgedunkelt.

Betrachten Sie die Kunst aus vielen Jahrhunderten:
Joseph steht meist oder immer im Abseits.
Joseph steht eigentlich nie im Licht.
Er verliert sich im Dunkel.
Wie überhaupt Joseph sich auch in den Evangelien im Dunkel verliert.
Doch er ist der Einzige, der für uns da steht.
Nur Joseph steht eigentlich da - für dich.
Du mit deinem Zweifel.
Du mit deiner Angst.
Du, der du nichts in der Hand hast als einen Akazien-stock und einen Rest Mantel.
Du möchtest doch auch vorkommen, wenn Licht ins Dunkel bricht.
Du möchtest doch auch dabei sein, wenn Gott zur Welt kommt.

Ich habe in St. Annen beim Kollegen Loderstädt verstanden:
Ich bin - wenn überhaupt - dabei als Joseph.
Als der Dritte, auf den wenig Licht fällt.
Muss auch nicht sein.
Wenn es nur Licht ist von seinem Licht.
Eigenartig, dass ich dazu so lange gebraucht habe.
Ein Kollege im Erzgebirge hat mir nach wenigen Worten, einem guten Kaffee und einer gehörigen Portion Liebe zu verstehen gegeben, wo ich stehe.
Und ich stehe da gut.
Ich stehe da fest.

Von Herzen grüße ich Sie nach einem für mich persönlich äußerst bewegten Jahr und wünsche Ihnen, dass Sie persönlich spüren und anderen vermitteln können: Ich stehe im Licht.
Wenn Sie das spüren, können Sie davon erzählen.
Erzählen Sie deutlich, verständlich und ehrlich.
Schon als Jugendlicher reagierte ich sensibel auf falsche Töne, geschmeidige Reden, platte Sätze und geheuchelten Glauben. Vieles Echte und Ehrliche ist mir damit vielleicht verloren gegangen.
Doch spätestens an Weihnachten, wenn die Kirchen voll sind, schmücken nicht unsere Worte den Raum. Zu viele Versprecher, falsche Betonungen und abgelesene Authentizität wären die Folge. Schaden dem schmalen Wort aus Bethlehem.
Ich muss die Heiligabend-Predigt nicht ganz besonders gut machen.
Ich muss dem schmalen Wort trauen. Mehr nicht.
Wir können uns ganz zurücknehmen wie Joseph.
Und stehen doch im Licht.

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