Der Monatsspruch im April 2011

Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!
Matthäus 26,41

Wachen
Der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker fragte unter dem Schock, den ihm Bau und Einsatz der Atombombe versetzt hatten, den Theologen Karl Barth, ob er angesichts dieser Sachlage überhaupt noch als Physiker tätig sein dürfe. Die Antwort war kurz und genau: „Wenn Sie glauben, was alle Christen bekennen und fast keiner wirklich glaubt, nämlich dass Christus wiederkommt, dann dürfen und sollen Sie weiter Physik treiben. Sonst nicht." Das nüchterne Urteil aus dem Mund des berühmten Theologen lässt aufhorchen. Als Weizsäcker später davon berichtete, fügte er hinzu: „Eine Kirche, die nicht auf die Wiederkunft des Herrn wartet, hat den Kern ihres Wesens, ihre Kraft aufgegeben." Wenn das Maß der beiden berühmten Denker heute noch gilt, hat es eine zwingende Kehrseite. Es verbindet Tun und Lassen unmittelbar mit dem Glauben und weckt das Bewusstsein für die Folgen unseres Handelns. Dem Ruf in die Verantwortung folgt bisweilen ein verzweifelter Sprung in den Glauben.
Nicht weniger wird den Jüngern in Gethsemane abverlangt. Ihre Gewissheit muss der Ohnmacht standhalten, mit der sie der tiefen Verzweiflung Jesu gegenüberstehen. Die Verheißungen ermüden. Die Nacht wird zum Würgeengel. Der Schlaf des Glaubens weiß ihn zu nähren. Darauf zielt der Monatsspruch.
„Bleibt wach - weil das Entsetzliche näher kommt/...Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind./Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird", heißt es in einem Gedicht von Günter Eich (1907-1972).

Beten
Die Jünger schlafen mit erschöpfter Hoffnung im nächtlichen Garten ein. Als sie wieder zu sich kommen, stirbt ihnen ihr Gott mitten in der Welt. Ihr Glaube erwacht unter dem Kreuz. Er muss nun immer neu durch die dunkle Nacht der Verzweiflung und die abgründige Gottesferne, die sich weder mit Worten noch mit geborgten Erfahrungen totschweigen lässt. „Gott ist nur wahrhaft Gott, wenn er dein Gott ist", sagt Martin Luther. Er muss in jedem Gebet neu geboren werden, im Wagnis, gegen den Augenschein. Du für dich und ich für mich müssen ablesen und buchstabieren, was die Ohnmacht Gottes am Kreuz bedeutet. So birgt jedes Wort teuer bezahlte Seligkeit. Aber das Gebet ist immer beides zugleich: Ringen und Trost, Verlassenheit und Paradies, Anfechtung und Gewissheit. Der Glaube muss in jedem Augenblick darauf gefasst sein, Gott gerade dort anzutreffen, wo er ihn am wenigsten erwartet. „Wo du mir Gott hinsetzest, da musst du mir die Menschheit mit hinsetzen, sie lassen sich nicht sondern und voneinander trennen", heißt es weiter bei Luther.

Antwort
„Was tut man, wenn man euch glaubt, was ihr sagt?" Diese Frage Bertolt Brechts misst selbst unter dem Kreuz alle guten Vorsätze einzig am Ergebnis, auch die Erwartungen, auf die sich der Glaube stützt. Der Dichter trifft den Nerv des Glaubens, denn die Antwort birgt neue Zweifel. Warum solcher Schmerz? Warum Demütigungen? Warum so viel erlebte und erlittene Bedeutungslosigkeit in Wort und Tat? Warum dieses Ende? Es ist Anfechtung, die mit solchen Alltagsfragen tiefe Löcher in den Glaubenshimmel brennt. Sie verstummen nicht, wenn man sie verschweigt. Sie richten sich zuerst auf die Verheißung und zuletzt an Gott. Aber Gott antwortet nicht auf das Leiden. Er leidet mit. Er antwortet nicht auf den Schmerz. Er wird zum Schmerzensmann. Er antwortet nicht auf Erniedrigung und Beleidigung. Er erniedrigt sich selbst und kommt arm zur Welt. Am Anfang steht ein Stall, am Ende ein Galgen (Ernst Bloch). Das bringt alle Gründe der Vernunft zum Schweigen. Aber das Herz findet seine eigene, unvergleichliche Sprache. Es erzählt wach und unermüdlich von einem Gott, der immer wieder neu zur Welt zu kommen wagt und unter uns geboren wird, stirbt und aufersteht. Er antwortet nicht. Er ist die Antwort.

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