Der Monatsspruch im Januar 2012

Weise mir, Herr, deinen Weg; ich will ihn gehen in deiner Treue.
Psalm 86,11

Über Nacht hat es geschneit. Sanft, unhörbar und ziemlich viel. Nun liegt vor meiner Haustüre ein Schneeteppich - weiß, frisch und noch unbegangen. Fast zögere ich ein bisschen, den Schnee zu betreten, seine zarte, ebene Oberfläche einzudrücken. Und dann wage ich es doch - mit großem Genuss und fast kindlicher Freude. Noch immer sind sie für mich etwas ganz Besonderes: die ersten Spuren im Schnee.

Mit dem Januar ist es ähnlich. Über Nacht tut sich ein weites Feld auf: weiß und frisch und noch unbegangen - das neue Jahr. Darum haben wir auch das Gefühl, dass nach den gemütlichen, kerzenbeschimmerten Monaten November und Dezember der Januar viel frischer daherkommt, mit klarer Winterluft, weißem Sonnenlicht und der Einladung zu einem Schneespaziergang übers Feld.

Dieses Gefühl trügt nicht. Der Januar lädt uns tatsächlich ein, uns auf den Weg zu machen. Auf den Weg in ein neues Jahr. Frische Kalender werden in Dienst genommen. Schon wagt man einen fragenden Blick hinein, auf welchen Wochentag wohl der Geburtstag fällt, oder Weihnachten oder der 1. Mai. Und die Schreibhand muss sich an die neue Jahreszahl erst gewöhnen.

Die einen gehen voller Vorfreude in das neue Jahr hinein. Sie freuen sich auf eine geplante Reise oder auf ein Familienfest. Andere zögern noch. Sie sehen vorsichtig und mit allerlei Bedenken in die Zukunft: Was wird es bringen, das neue Jahr? Welche Wege werde ich gehen? Welche muss ich gehen, auch wenn ich es nicht will? Welche Verluste erwarten mich? Welcher Schmerz?

Ein Wegweiser wäre da nicht schlecht. Ein Schild, das uns sagt: Wenn du hier entlanggehst, dann wird alles gut. Dann wirst du von Schwerem verschont sein und mit Glück gesegnet. Aber solche Wegweiser gibt es nicht. Da nützt auch kein Bleigießen oder Orakeln, da hilft weder Schornsteinfeger noch Marzipanschwein und auch kein vierblättriger Klee: Niemand kann voraussagen, was uns das neue Jahr bringt. Wir werden unsere eigenen Entscheidungen treffen müssen, unsere eigenen Wege gehen und mit den Folgen leben.

Das neue Jahr ist wie ein Schneeteppich vor der Haustür. Es liegt weiß und unbegangen vor uns. Ohne Wegweiser. Und wir sind frei, unsere eigene Richtung einzuschlagen.

Und wenn es doch einen Wegweiser gäbe? Eine Richtschnur, nach der wir leben und uns entscheiden könnten? Was wir brauchen, ist eine Wegweisung, bei der wir zwar immer noch frei wären, uns zu entscheiden, was wir tun und wohin wir gehen, die uns aber zugleich gewiss macht, dass wir nie allein gelassen werden, auch auf unseren Umwegen.

Schon vor 2500 Jahren haben sich Menschen auf eine solche ganz besondere Richtschnur für ihr Leben verlassen, und zwar felsenfest: auf die Treue Gottes. Sie sangen dieser Richtschnur sogar Psalmen: „Weise mir, Herr, deinen Weg; ich will ihn gehen in deiner Treue" (Psalm 86,11).

Wie als wäre es den Menschen damals genauso ergangen wie uns, am Beginn eines neuen Weges, eines neuen Jahres, kurz vor dem ersten Schritt auf ein unbeschrittenes Feld. Sie singen und erzählen uns von der Gewissheit, die sie damals schon gehalten und ermutigt hat: Gottes Treue umgibt mich an allen Tagen meines Lebens. Das nimmt mir die Furcht.

Also kein Wegweiser, der uns sagt: Da geht es lang. Gott ist nicht etwa über uns, um uns wie an Marionettenfäden zu zwingen, dies oder das zu tun oder einen bestimmten Weg zu gehen. Sondern seine Treue ist ein Wegweiser, der uns versichert: Wie immer wir uns auch entscheiden, welchen Weg wir auch immer gehen: Gott ist an unserer Seite, damit wir niemals allein sind. Weder bei Gelungenem noch im Scheitern.

Unser Leben gelingt ganz besonders dann, wenn wir es schaffen, auch umgekehrt treu zu sein.

Wie das geht? Gott treu zu sein? Am besten ist es, immer wieder danach zu fragen, was er sich von uns wünscht. Die Gebote des alten Bundes und die Predigten Jesu sprechen da eine klare Sprache: Treu sein heißt Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt und unseren Nächsten lieben wie uns selbst.

Diese beiden Gebote weisen uns den Weg. Und Gottes Treue ist an unserer Seite. Auch im neuen Jahr.

Anzeige:  Herzschlag. Etty Hillesum – Eine Begegnung. Von Heiner Wilmer

Die Pastoralblätter im Abo

Gottesdienste komplett und fundiert vorbereiten.

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen