Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
Jesaja 60,1
Mache dich auf
Ich liebe Adventskalender. Jeden Tag etwas zu öffnen, eine neue Überraschung. Meine Patentochter hat mir einen Briefumschlag geschickt, mit einem guten Satz zum Nachdenken für jeden Tag. Sie hat wunderbare Zitate ausgewählt: Dichter, Philosophen, Liedtexte,
Theologen. Schön. Nun habe auch ich wieder einen Adventskalender, nicht nur meine Tochter.
Dabei entdecke ich etwas Einfaches ganz neu. Der Kalender öffnet sich nicht von selbst, ich muss mich aufmachen, mir Zeit nehmen, den Zettel öffnen, lesen, nachdenken. Und da fällt mir noch etwas auf. Indem ich mich aufmache, mache ich etwas in mir auf.
Mache dich auf hat zwei Bedeutungen: Raffe dich auf, nimm dir Zeit. Aber auch: „Öffne dich, mache dich auf!“ Nur so kann ich das kleine Geschenk hinter dem Türchen überhaupt entgegennehmen.
Ich merke, beide Bedeutungen haben miteinander zu tun. Ich mache mich auf, meinen Kalender zu öffnen, und lese dabei etwas, was mich die Dinge anders wahrnehmen lässt.
Ich raffe mich auf, die Kinder spätabends von der Disco abzuholen, und öffne mich für Gespräche. In neuer Verbundenheit fahren wir nach Hause.
Ich mache mich an einem regnerischen Herbsttag zu einem Spaziergang auf, mehr aus Vernunft denn aus Lust. Doch ich öffne mich dabei plötzlich mir selbst ganz neu. Neue Gedanken, neue Energie erfüllt mich.
Mache dich auf, das zu suchen, was du brauchst, und nimm entgegen, was schon als Geschenk für dich bereitliegt.
Mache dich auf - in Gedanken oder mit dem Herzen, die Hände oder mit den Füßen - alles ist möglich.
Ich singe „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Ich möchte mich aufmachen. Denn der Herr der Herrlichkeit kommt. Ich kann mir sicher sein, dass er das für mich dabeihat, was ich gerade heute brauche.
Werde Licht
„Was willst du einmal werden?“, das war eine spannende Frage, als ich eine junge Frau war. Alles war offen. Ich war im Werden. Und heute? Bin ich geworden, was ich wollte? Familie, Haus, Traumreise? Alles abgeschlossen? Bin ich schon „fertig“ oder noch unterwegs?
„Werde Licht!“, sagt mir der Text aus Jesaja. Werde Licht. Schau dich an, verändere dich! Mir wird Raum und auch die Fähigkeit zugestanden, mich zu entwickeln. Ich darf Neues ausprobieren.
Als Pfarrerin überlege ich sofort, wie ich oder wir Licht werden könnten, und bin mitten in den Gedanken um Weihnachtsaktionen. Wir könnten Licht in der Dunkelheit anderer sein, wie einst Lucia. Dem schwedischen Brauch entsprechend können Kinder einen Lichterkranz auf dem Kopf tragen und der bettlägrigen Nachbarin oder dem kranken Opa eine Freude machen. Sehr sinnig und schön.
Oder: In manchen australischen Gemeinden wird bereits im Advent der Baum aufgestellt, darunter ein Korb mit Sternen mit Weihnachtswünschen bedürftiger Kinder. Wer möchte, darf einen Stern aufhängen und den Wunsch erfüllen.
Werde Licht! Es gibt viele Möglichkeiten.
Werde Licht! Das heißt auch, zu leuchten, ohne sich auszubrennen und im Burn-out zu landen. Vielleicht ist gerade das die Adventsbotschaft für Mitarbeitende in den Kirchen.
Denn dein Licht kommt
Mache dich auf! Werde Licht! Doch woher die Kraft nehmen? „Denn dein Licht kommt“, sagt der Bibeltext. Ich darf es wagen, loszulaufen. Es kommt einer, der mir hilft. Doch ich muss aufpassen. Gerade das „werde Licht“ wird während der Adventszeit schnell zum Gesetz. Was Mut machen sollte wird zum Muss und verschluckt die Zusage.
„Denn dein Licht kommt“, sagt der Bibeltext. Ich kann es wagen, loszulaufen. Es kommt einer, der hilft mir, falls es nicht klappt.
Es ist wie Schwimmen lernen. Zunächst probiert man mit den Eltern ein kurzes Stück, bei dem man sich sicher fühlt. So wagen Kinder, ihre Fähigkeit auszuprobieren, immer im Wissen, da ist eine Hand, die mich trägt. So verstehe ich die Zusage. Wir dürfen uns aufmachen, uns öffnen und Neues wagen. Wir dürfen langsam, aber stetig Licht werden und dabei die Welt im Wissen des kommenden Lichtes freundlicher gestalten. Es wird die Dunkelheit erleuchten, an der wir immer wieder zu verzweifeln drohen mit unseren kleinen Anfängen. (EG 16: Die Nacht ist vorgedrungen)