Der Monatsspruch im Juli 2012

Mit welchem Maß ihr messt, wird man euch wieder messen.
Markus 4,24

Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Wir schmunzeln bei dieser Redensart über die falsche Grammatik, aber wir runzeln die Stirn über ihre moralische Aussage. Doch just diese Haltung erwartet Jesus von uns. Er setzt sie hier gar ins Recht. Das klingt allerdings bedenklich. Empfiehlt Jesus, dass wir uns ohne Rücksicht auf Verluste nehmen sollen, was wir kriegen? In bestimmter Hinsicht, ja!

Der Zusammenhang, in dem der Monatsspruch steht, macht den Zusammenhang klar, in dem wir uns diese Einstellung durchaus zu eigen machen können. Anders als in den übrigen Evangelien, geht es nicht um das Urteil über Mitmenschen. Im Ablauf des Markusevangeliums schickt Jesus voraus: „Sehet zu, was ihr höret.“ Die wechselseitige Abhängigkeit bezieht sich auf unsere Haltung Gott gegenüber.

Jesus wirbt für eine Hörbereitschaft, die kein Maß kennt, weil Gott uns ebenfalls übermäßig, überreich bedenken will. Völlig richtig übersetzt darum die „Gute Nachricht-Bibel“: „Achtet auf das, was ich euch sage! Nach dem Maß eures Zuhörens wird Gott euch Verständnis geben, ja noch über das Maß eures Zuhörens hinaus!“ Bescheidenheit muss uns also gerade nicht zieren, wenn wir nach Gott und seiner Wahrheit für uns fragen. Je mehr wir von Gott erwarten, desto mehr wird uns zuteil. Von unserem Maß hängt ab, was Gott uns zumisst. Warum sollten wir dann zurückhaltend sein?

Die Erfahrung kennen wir. Je mehr wir uns in eine Sache vertiefen, desto reicher erschließt sie sich uns. In der Urlaubszeit können wir sie uns reichlich gönnen. Je stärker wir uns nämlich im Urlaub einlassen auf ein Land, die Bewohner, Kultur und Geschichte, desto intensiver begegnen wir ihm. Wir intensivieren das Hören auf Gott und investieren damit in unsere Gottesbeziehung.

Jetzt folgen Beispiele, die Sie kennen - aber bessere fallen mir nicht ein. Der Gottesdienst ist ein Maß, das wir für Gott bereithalten, und wir bekommen entsprechend seinen Segen zugemessen, seine Nähe. Oder wir setzen uns einmal einem ganzen biblischen Buch aus, um herauszufinden, wie Gott darin den Menschen begegnet. Bibelstudium, Gesprächskreis, das klingt alles anstrengend oder langweilig. Auf der anderen Seite sind sie solche Maßeinheiten, um mehr von Gott mitzubekommen, mit auf den Weg zu bekommen. Wenn wir das Zeitmaß verlängern, werden wir umso stärker von Gottes Wärme und Licht bestimmt.

Auf dem nüchtern-grünen Kanzeldauerbehang unserer Dorfkirche waren, unverständlich für mich als Bauernkind, Halme abgebildet mit dem Spruch: „Wachset in der Gnade“ (vgl. 2. Petr 3,18). Vielleicht haben fromme Stickerinnen in der Paramentenwerkstatt diese Erfahrung gemacht. Wir kommen im Glauben voran, je mehr wir uns Gott in seinem Wort zuwenden. Es ist ein schönes Bild: größer zu werden, reifer zu werden in Gottes Gnade. Sonnen wir uns im Glanz der Liebe Gottes! Es braucht dazu auch keine Sonnencreme.

Vielleicht ist uns diese Erfahrung nur nicht so bewusst; manchmal vermute ich, wir kennen sie nicht wirklich. Denn normalerweise sind wir eher sporadische Hörerinnen und Hörer. Die Worte Gottes begegnen uns als voneinander unabhängige Einzeleindrücke, mal Ethik, mal Trost, da ein Spritzer Handlungs-Appell, dort ein Tröpfchen Aufmunterung. Wir bleiben bei der berühmten „Milch“ des Anfangs, der Babynahrung, wie der Apostel Paulus einmal schreibt, und vertragen die feste Speise nicht (1. Kor 3,2).

Gottes gutes Wort erschließt sich mir umso mehr, je offener ich dafür bin, je größer meine Hörwilligkeit ist. Das Richtmaß sind unsere gespitzten Ohren. Seien wir insofern bescheiden, als wir von Katzen oder Hunden abgucken, wie sie ihre Lauscher ausrichten auf die Stimme von Frauchen oder Herrchen. Aber seien wir unbescheiden, wenn Gott uns seine Gegenwart schenken will. Gebt Acht, worauf ihr Acht gebt. Dazu ermuntert uns Jesus. Seid einmal guten Gewissens unbescheiden.

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