„Schaue darauf, dass nicht das Licht in dir Finsternis sei.“
Lukas 11,35
Wann haben Sie das letzte Mal so richtig im Dunklen gestanden? Und mit dunkel meine ich nicht die gemütliche Schummrigkeit eines Abends bei Kerzenschein und Glühwein oder den erwartungsvollen Moment, wenn das Saallicht ausgeht und der Kinofilm gleich anfängt.
Nein, ich meine diese Art von Dunkelheit, die alles andere als heimelig, die eher unheimlich daherkommt. Es passiert ja nicht oft, dass wir in unserer neonhellen Zivilisation mit echter Finsternis konfrontiert werden.
Die Münsterländer erinnern sich vielleicht noch an den Stromausfall im Winter 2005, als einige Städte tagelang ohne Elektrizität auskommen mussten.
Ich persönlich kann mich noch gut an eine andere Situation erinnern. Nach einem abendlichen Termin fahre ich spät nach Hause, als mein Auto auf einmal immer schlechter beschleunigt. Mitten auf der Landstraße bleibt der Wagen dann irgendwann stehen, so irgendwo im Nirgendwo. Ich lasse ihn am rechten Rand ausrollen. Und leider bringen auch alle Versuche, den Wagen zu starten, kein Ergebnis. Das Ding gibt keinen Mucks von sich. Und während ich in allen Taschen nach dem Handy suche, wird das Licht im und am Fahrzeug immer dunkler. Dann erlöschen alle Lämpchen drinnen und draußen. Jetzt ist es dunkel. Stockfinster. Keine Straßenbeleuchtung. Kein Haus zu sehen. Und das Handy? Fehlanzeige. Das liegt dann vermutlich doch noch auf dem Küchentisch.
Was soll ich tun? Sitzen bleiben und warten? Es wird ziemlich kalt im ungeheizten Auto, aber vielleicht kommt ja irgendwann noch jemand vorbei, der dann auch anhalten und mich mitnehmen würde. Nachts um halb zwölf ...
Nach geschätzten 20 Minuten beschließe ich dann doch, lieber mein Glück zu versuchen und mich zu Fuß auf die Suche zu machen. Kommt da nicht irgendwann doch noch eine belebtere Straße, oder ein Haus, bei dem ich klingeln kann?
Wegen der Dunkelheit geht es allerdings eher langsam vorwärts am Straßenrand. Ich kann nur hoffen, dass da nichts im Weg liegt. Sehen kann ich gar nichts, obwohl sich die Augen inzwischen doch an die sternenlose Schwärze gewöhnt haben sollten.
Aber da hinten rechts zwischen den Bäumen hindurch, da scheint etwas zu sein. Ich gehe darauf zu. Hoffentlich ... Ja, es ist ein Haus! Und da brennt Licht. Fast wie von selbst gehe ich schneller, die Schritte werden sicherer. Und dann die Erlösung: Auf mein Klingeln öffnet tatsächlich ein freundlicher - und um diese Uhrzeit sicher auch mutiger - Mensch und lässt mich mit zu Hause telefonieren. Eine halbe Stunde später werde ich abgeholt, und das nächtliche Abenteuer hat ein Happy-End gefunden.
Auch den Kommentar des Werkstattmenschen, mit dem ich am nächsten Morgen rausfahre, um mein Auto wieder flott zu kriegen, kann ich gut wegstecken. „War ja klar“, sagt er lapidar, „Lichtmaschine und Batterie sind die Übeltäter. Hätten Sie den Wagen mal lieber regelmäßig einmal im Jahr warten lassen sollen ...!“
„Recht hat er ja“, denke ich, „aber Gott sei Dank ist ja nichts Schlimmeres passiert.“
Trotzdem kommt man in einem ruhigen Moment dann so ein bisschen ins Nachdenken. Einmal unerwartet so ganz allein in völliger Finsternis zu stehen, das ist schon eine besondere Erfahrung.
Und die Gedanken schweifen: Es gibt im Leben auch ganz andere Finsternisse, in denen man plötzlich stehen kann. Verlust, tödliche Krankheit, Leiderfahrungen, Depression, krankhafte Angst. Da brauche ich dringend Licht. Licht als Orientierungshilfe für den Weg aus der Dunkelheit. Kraft gegen die tödliche Resignation. Wärme gegen die erstarrende, lähmende Angst.
Mein Glaube ist so etwas wie die Lichtmaschine meiner Seele. Und seine Kraft kommt aus der lebendigen Verbindung zu Gott. Eine Wartung einmal im Jahr scheint mir da sogar ein bisschen zu wenig für diese lebenswichtige Verbindung. Da sollte ich wohl besser regelmäßig dran-bleiben.
Ich will ja nicht plötzlich allein und ohne Licht im Dunkeln stehen.