Der Monatsspruch im Dezember 2014

Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien.
Jesaja 35,1

Was für ein Bild! Die Wüste frohlockt, anstatt in flirrender Hitze zu erstarren. Auch die Einöde stimmt ein, dabei ist es doch gerade das Fehlen jeglicher Kommunikation, diese tote Stille, die die Ödnis ausmacht. Und die karge Steppe, in der außer struppigem Gras kaum etwas wächst, jubelt nicht nur - sie blüht in unsagbarer Pracht. Ein Meer von Farben, wogend im sanften Wind, surrende Insekten - und Menschen, die sich kaum satt sehen können an all der Pracht an einem Ort, wo vorher der Staub regierte und die Trostlosigkeit.
Wir Menschen, wir Christenmenschen brauchen solche Bilder. Wir brauchen sie vor allem dann, wenn uns unser Alltag öde Zeiten zumutet und unser Glaube flach und rissig wird. Gegen alle Resignation halten prophetische Bilder wie dieses die Hoffnung wach, dass es doch noch mehr geben kann als das, was wir sehen und fühlen und woran wir allzu oft auch leiden. Ohne solche überschwänglichen Bilder würde uns schnell die Luft ausgehen, wenn unser Lebensweg direkt durch die Wüste führt: Wer lange Zeiten der Krankheiten erlebt, das Sterben von Beziehungen, oder wem die Monotonie des Alltags immer sinnloser wird, braucht etwas, woran er sich festhalten und orientieren kann. Einen Einspruch des Lebens gegen den Tod, ein „Dennoch“ Gottes gegen allen Anschein.

Solche überbordenden Hoffnungsbilder haben große und kleine Weltverbesserer und Hoffnungskünstler aller Zeiten inspiriert, haben Kräfte freigesetzt und der Resignation Paroli geboten. Und gleichzeitig taucht die Poesie von der blühenden Pracht an unerwartetem Ort immer wieder auf, wenn es um den Einbruch von Gottes Licht ins Dunkel der Welt geht: Das Blümlein mitten im kalten Winter, von dem das Weihnachtslied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ singt, ein Bild für das göttliche Kind in der Krippe. Die Dornen, die Rosen tragen, weil Maria mit dem Kind unter dem Herzen durch den Dornwald geht. Oder das von Blumen übersäte Kreuz mancher Osterliturgie.

Wunderschön vielleicht das alles, aber unrealistisch - so mögen nüchterne Zeitgenossen über diese überschießenden Bilder urteilen. Daran ist ja richtig, dass die meisten Wüsten unserer Tage eben nicht blühen und auch nicht jauchzen. Sondern dass die Hitze das Leben tötet, die Krankheiten wuchern, die Ungerechtigkeit wächst und die Beziehungen sterben. Und doch hängt das Bild der blühenden Steppe und Wüste nicht in der Luft, sondern ist der Natur abgeschaut: Im Heiligen Land etwa gibt es blühende Wüsten wirklich, in den wenigen Frühlingswochen, wenn der Winter schon gegangen, aber der Sommer noch nicht gekommen ist. Für zwei Wochen blüht dann die vom Regen noch feuchte Wüste in tausend Farben, etwa südlich von Bethlehem in Palästina. Wer das einmal erlebt hat, der weiß: Keine Wüste kann so tot, so vertrocknet und verlassen sein, dass nicht über Nacht das Leben zurückkehren könnte.

In unserer Welt gibt es solche blühenden Wüsten nie auf Dauer. Und doch: Die Erfahrung, dass auch alles ganz anders sein kann, das Fenster zum Himmel, das so eine kleine Weile aufgestoßen wird von Gott - es verändert alles. So wie die Hirten nicht mehr dieselben waren, nachdem sie das Kind in der Krippe gesehen hatten, so kann es auch uns ergehen, wenn die Wüsten unseres Lebens blühen: Wenn uns Zeiten des Glückes geschenkt werden. Wenn alte Konflikte sich lösen und Feinde einander die Hand reichen. Wenn eine Krankheit gelindert wird oder ganz aufhört. Die Einsamkeit verwandelt wird durch ein gutes Wort und den Menschen, der es uns sagt. Wenn wir in Gefahren bewahrt bleiben, vielleicht versehrt wie der hinkende Jakob nach seinem Ringen mit Gott, aber eben doch bewahrt.

Solche Erfahrungen des Blühens vermögen zweierlei: Zum einen schenken Sie uns die Kraft, weiterzugehen durch die Wüste, auch wenn die Blumen wieder der Steppe weichen. Und zum anderen bringen sie eine unausrottbare Hoffnung in die Welt: Einmal wird es geschehen, dass die Fragmente ganz werden und alle Wüsten blühen, nicht ein paar Wochen, sondern in Ewigkeit. Der Advent ist nicht die schlechteste Zeit, um den Blick neu zu üben für die Blumen in den Wüsten unserer Tage.

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

Die Pastoralblätter im Abo

Gottesdienste komplett und fundiert vorbereiten.

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen