Redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.
Epheser 4,29
Unsere Sprache verfügt über einen Wortschatz von 300.000 bis 500.000 Wörtern. Durchschnittliche Jugendliche, die um die 15 Jahre alt sind, erreichen schon den Stand von 12.000 Wörtern. Doch es reichen wenige Wörter aus, um Weltgeschichte zu schreiben. Der notwendige Grundwortschatz liegt bei unter 1.300 Worten. Es geht auch mit weniger.
Angeblich füllte der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer mit einem Grundwortschatz von nur 500 Worten sein Amt voll aus. Was politisch möglich und nötig war, brauchte diese knappe Sprachkraft.
Im entscheidenden Moment, wenn Geschichte geschrieben wird, geht es schon lange wortkarg zu. Martin Luther soll seine Rede vor dem Reichstag zu Worms mit vier Worten geschlossen haben: „Gott helfe mir, Amen!“ Die ganze Rede, die der Reformator vor Kaiser Karl V. und dem Reichstag hielt, steckt - so unser historisches Gedächtnis - in diesen wenigen Worten.
Im Winter 1955 wurde Rosa Parks in Montgomery des Busses verwiesen und von der Polizei verhaftet. Ihr Delikt: Sie blieb auf ihrem Platz sitzen, den sie, die Schwarze, für einen weißen Fahrgast hätte frei machen müssen. Ihr Satz „I don’t think, I should have to stand up“ löste einen umstürzenden Bus-Boykott aus. Mit noch weniger Worten begann der endgültige Untergang des amerikanischen Apartheidsystems. „I have a dream“, rief Martin Luther King vor Hunderttausenden. Vier Worte reichten, ein Kapitel der Geschichte neigte sich dem verdienten Ende zu.
Der Gedanke, dass die Rede, die Segen bringt, nur über einen extrem kleinen Wortschatz verfügt, liegt nahe. Ein „Ja“ steht am Anfang der Partnerschaft. Ein „Ich will“ kommt am Traualtar hinzu. Ein „Ja“ spielt sich in vielen menschlichen und spirituellen Dimensionen am Taufbecken ab. Das Christentum ist anfänglich sparsam mit großen Worten. Das gilt bis heute: Wer sich engagiert, kann oft nicht sagen, warum er das tut. „Weil es nötig ist“, antworten viele, die sich für andere Menschen einsetzen.
Diese Sparsamkeit liegt schon in Jesu Worten. Er sagt in der Bergpredigt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matthäus 5,37) Solche Rede in vier Worten bleibt dem Glauben eine treue Begleitung: Der Wortschatz ist klein, aber reicht in der Regel sehr weit. Christen, die nicht viel sagen, die aber viel meinen, schenken nicht nur Christinnen ihr Vertrauen. Alle Reformbewegungen begannen, in Abteien, Klöstern, auch in der Klosterzelle des jungen Professors Martin Luther, zunächst mit der Reduktion auf das notwendige Minimum. Ihr Wortschatz war klein, aber die Leute verstanden diese Reformen.
Reduktion ist Sache des christlichen Glaubens. Schon das Vaterunser fasst das Wesentliche zusammen. Es wirkt angesichts des ersten Gebets der christlichen Gemeinde schon wortreich. Die Gemeinde betete zunächst mit dem Wort „Maranatha“, „Komm, Herr Jesus“. Sie reduzierte alles, was sie bewegte, und bat den Herrn ins Leben hinein. Ein Wort zurrt alle Hoffnung und jede Sehnsucht zusammen. Der christliche Glaube beginnt mit einem extrem sparsam ausgestatteten Wortschatz. In der Reduktion auf das Wenige öffnet sich die Innenwelt der Glaubenden in ihrem ganzen Reichtum und wirkt nach außen. Die Kargheit der Sprache bereitet Gottes Glanz einen Raum. Mit dem Glauben ist es auch immer wie im Februar. Das sparsame Winterlicht eines Februartages lässt ahnen: Die Sonne steigt Tag für Tag höher am Himmel auf.