Der Monatsspruch im März 2014

Jesus Christus spricht: Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr euch untereinander liebt.
Johannes 13,35 (E)

Ein kalter Morgen im Januar. Ein Morgen wie jeder andere. Menschen strömen zur Arbeit. Sie hasten durch die Gänge der New Yorker U-Bahn.
Ein junger Mann steigt aus der Metro. Eine Basketball Mütze der Washington Nationals auf dem Kopf, in Jeans und Longshirt. Der Mann stellt sich an den Eingang zur Metro-Station neben einen Mülleimer, nimmt seine Geige aus ihrem Kasten und stimmt die Saiten. Ein paar Münzen in den Geigenkasten, dann beginnt er zu spielen. Fast eine Dreiviertelstunde. Über tausend Menschen gehen vorbei. Die meisten schnell, wenige verlangsamen ihre Schritte. Einige Kinder wollen gern zuhören, werden von ihren Eltern aber weitergezogen. Sieben Menschen bleiben stehen. Eine Frau flüstert dem Fremden neben ihr zu: "Ich würde so gern hierbleiben", aber sie muss weiter. Ein anderer stoppt und bleibt stehen, weil er spürt, da ist etwas Besonderes am Werk. Am Ende hat der Geigenspieler 37 Dollar verdient.
Der Musiker ist Joshua Bell, einer der berühmtesten Geiger der Gegenwart. Drei Tage vorher hat er in der ausverkauften Bostoner Konzerthalle gespielt, eine Karte kostet um die 100 Dollar. Er spielt auf einer Stradivari, einer Geige, die 3,5 Millionen Dollar wert ist, unter anderem eines der schönsten und zugleich anspruchsvollsten Stücke der Geigenliteratur: die Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach. Nur eine einzige Frau erkennt Joshua Bell. Auch sie bleibt stehen, mit einem Lächeln im Gesicht. Auf You-Tube ist das Video des Auftritts in der U-Bahn zu sehen, es war Teil einer Kampagne der Washington Post: "Embrace the Beauty around You" - Umarme die Schönheit, die dich umgibt. Wenige Menschen haben an diesem Januar-Morgen die Schönheit umarmt, die sich ihnen da so unverhofft und unverfügbar offenbarte. Nur wenige Menschen, aber diese wenigen haben diesen einen Morgen anders erlebt als andere. Für diese wenigen ist dieser Morgen zu einem Moment geworden, in dem sie an etwas Besonderem teilhaben durften.
"Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr euch untereinander liebt." Wäre es nicht schön, wenn wenigstens einige wenige erkennen würden, wer wir sind? Jüngerinnen und Jünger Jesu? Menschen, die dafür leben, einander zu lieben, Menschen, die daran glauben, dass in der Gemeinschaft mit Jesus Christus eine besondere Schönheit verborgen ist?
Die Wirklichkeit ist oft nicht so. Eher wie ein kalter zugiger Morgen in der U-Bahn. Wir hasten einander vorbei, den nächsten Termin im Kopf, die Aufgabe, die auf uns wartet, den Job, der erledigt werden will. Es bleibt keine Zeit, um stehen zu bleiben und durchzuatmen. Innezuhalten und sich zu besinnen, wenigstens für einen Moment mein Gegenüber zu sehen. Daran zu denken, wer ich auch bin: Nachfolger Jesu Christi.
"Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr euch untereinander liebt." Es ist uns aufgetragen als Jüngerinnen und Jünger Jesu, die Augen, Herzen und Hände offen zu halten. Damit wir umarmen können, was uns gegeben ist. Die Zeit, die uns der Gottesdienst schenkt, um loslassen zu können, die Ruhe, die sich einstellen mag, wenn wir beten, die Musik, die uns in der Kirche zu gemeinsamem Singen und Hören verbindet. Die Schönheit, die darin liegt, wenn wir Menschen uns darin üben, einander zu lieben. Als Kinder Gottes das Gute im anderen zu entdecken. Füreinander einzustehen.
Vielleicht bleibt dann doch der eine oder die andere stehen und hört und schaut. Geht dann vielleicht verändert weiter. Einen kleinen Moment von Gottes Liebe mitnehmend. Oder bleibt sogar. Weil da Menschen sind, an denen sichtbar wird, was Jesus Christus uns aufträgt: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr euch untereinander liebt." Vielleicht auch an einem Morgen im März.

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