Seit gut zehn Jahren sind wir als PASTORALBLÄTTER unterwegs - zusammen mit „Kulturen leben“, Rüsselsheim.
Am Ende der Sommernummer lade ich zu einer neuen, mich schon jetzt sehr bewegenden
Reise auf dem Mekong durch Laos, Kambodscha und Vietnam (Mekong-Delta) ein, an der wir Anfang des Jahres nur „geschnuppert haben“. Davon erzählt eine Kollegin, Autorin der
PASTORALBLÄTTER, die an dieser Inforeise teilgenommen hat:
Pastorin Anne Jaborg, Lustgarten 7a, 26135 Oldenburg, anne.jaborg@ewetel.net , schreibt über die Inforeise im Januar 2014:
Den Buddhismus in Laos erleben. Reisebericht von einer kurzen „Schnupperreise“ mit Gerhard Engelsberger und Klaus Ludwig
„In Laos angekommen, besteigen wir am Ufer des Mekong ein Langboot. Schuhe aus. Koffer
hinter dem Steuermann stapeln. Platz nehmen und genießen. Zwei Tage auf dem Mekong. Zeit,
sich bewusst zu machen: Wo auf dem Globus befinde ich mich gerade? In Laos, umgeben von
den Ländern China, Myanmar, Thailand, Kambodscha und Vietnam. Gottvertrauen ist: sich auf
dem Mekong dem Bootsmann anvertrauen. Stunde um Stunde steuert er da vorne hoch
konzentriert. Ich muss an die Episode „Die Übergabe“ denken aus dem „Atlas eines ängstlichen
Mannes“ von Christoph Ransmayr. Mit der Hand seines Vaters auf der Schulter steuert der
Sohn das Langboot durch Gefahren wie „felsige Untiefen, Stromschnellen, Strudel oder vom
Monsun entwurzelte Bäume, deren Äste sich manchmal wie die Arme ertrinkender Riesen aus
der Flut“ erheben. An den Ufern ziehen von Teakholzbäumen und Bananenstauden bedeckte
Steilhänge vorbei. Schotter- und Sandbänke. Vereinzelt sehen wir Pfahlbaudörfer.
Minderheitenvölker leben hier. In großen Abständen glänzt durch das Grün des Regenwaldes
der goldene Giebel eines buddhistischen Tempels.
Im Dunkeln darf der gefährliche Mekong nicht befahren werden. Wir übernachten in Pak Peng.
Wir sind spät dran. Das Langboot hat es schwer, einzuparken in die letzte Parklücke zwischen
den Schwesterschiffen. Mit langen Stöcken jonglieren die Bootsköchin und die Nachbarschiffer
das Boot ans Sandufer. Um halb sieben ist die Sonne ganz untergegangen. Kurz bevor alles
Licht verschwindet, scheint der Fluss still zu stehen. Erst in der Morgendämmerung - die Hähne
krähen, Hunde bellen, Männerstimmen reden asiatisch, Holzfeuerrauch steigt in die Nase -
fließt er wieder. Auf dem jenseitigen Ufer sind zwei Elefanten zu sehen, im „Land der Millionen
Elefanten“.
Wir erreichen den neuen Hafen der alten Königsstadt Luang Prabang, heute Weltkulturerbe-
Stadt. Hier erleben wir Buddhismus. Früh am Morgen, um kurz nach sechs auf der Straße. Es ist
dunkel. Nachbarn hocken sich an den Straßenrand. Sie haben ihr Reiskörbchen dabei. Die
Mönche kommen, bekleidet mit orangem Tuch. Jeder trägt ein Gefäß an langen Schulterriemen.
Sie gehen hintereinander. Bei den Leuten am Bürgersteig bleiben sie stehen, sie singen etwas,
öffnen den Deckel ihres Gefäßes. Die Leute geben ihnen von ihrem Reis. Die Mönche gehen
weiter. Die Leute stehen auf. Sie formen aus Reis kleine Häufchen und legen sie irgendwo auf
eine Mauer. Sie nehmen ihre Bastmatte und verschwinden in ihren Alltag.
Hier wird der ursprüngliche, unverfälschte Theravada-Buddhismus gelebt, mit laotischen
Sonderformen. Geisterglaube, Ahnenkult und Aberglaube sind mit dem hier gelebten Glauben
verwoben. Zum Stadtbild gehören orange-gekleidete, kahlgeschorene Novizen und Mönche, mit
blauem Beutel und Sonnenschirm. Der Tempel ist für den jungen Mann aus Dorf und Stadt eine
religiöse wie soziale Einrichtung.
Im Tempel werden die jungen Männer beschult. Zweimal am Tag bekommen sie zu essen. Von
dem morgens eingesammelten Essen bleibt abends noch ausreichend übrig. Das wissen die
Armen und bitten im Tempel um eine Mahlzeit.
Aus dem 16. Jahrhundert stammt die prächtige Tempelanlage Wat Xiang Thong mit ihren
geschwungenen Dächern und goldenen Wandmalereien auf den schwarzen Außenmauern.
Eine Kapelle des Wat ist pink gestrichen und mit Glasmosaiken übersät. In den blauen
Mosaiken sind Menschen beim Reisanbau zu sehen und wie sie mit der Sichel ernten. Affen und
Elefanten sind dabei. Die Mosaiken erzählen alte Legenden.
In den meisten Tempelanlagen, die wir auf der Reise besuchen, sind irgendwo Bilder der
Lebensgeschichte des Buddha zu finden. Auf einem hoch aufragenden Giebel sieht man den
kleinen Buddha. Gleich nach der Geburt kann er schon auf Lotus laufen. Er flieht aus der
behüteten Kindheit, entdeckt das Elend der Menschen und erfährt die Erleuchtung. Er lehrt
seine Schüler. Überall hinterlässt die Lehre seine Fußspuren. Die Lotusblüte, sie gedeiht auf
Schlamm, wird zum Symbol seiner Botschaft: Egal, wo und wie ein Mensch geboren wird, er
kann sich entwickeln. Dabei sind die Naga-Schlangen Buddhas und der Menschen Beschützer.
Als ein Schutzzeichen ragen sieben Naga-Schlangen schirmförmig hinter dem Kopf der Buddha-
Figur auf.
Buddha-Figuren liegen und sitzen und stehen und haben zeichenhafte Handhaltungen. Der
Buddhist kennt die dem Wochentag seiner Geburt zuzuordnende Figur. Der liegende Buddha
mit der Hand neben seinem Kopf ist Zeichen für den Buddha im Nirwana.
Die Darstellung des Buddha ist von der griechischen Kultur beeinflusst. Ein griechischer
Herrscher hatte immer auch griechische Bildhauer in seinem Gefolge. Die gestalteten den
Buddha mit einem Lockenkopf. Kein Asiat hatte
Locken. Wie die griechischen Soldaten bekam Buddha einen Haarknoten auf den Hinterkopf.
Die langen Ohren sind ein Zugeständnis, um die mit Schmuck behangenen asiatischen Oberen
darzustellen. Die langen Ohren sollen den Betrachter ermahnen: Glaube nicht alles, was du
hörst. Die halbgeschlossenen Augen der Figur sagen: Achte gut auf dich selbst und auf deine
eigene Umgebung.
Bei aller architektonischen Pracht eines Wat befremdet mich das Innere eines Tempels. Da
drinnen wirkt es auf mich staubig und kitschig. Meist ist eine erhöhte, zentrale Buddha-Figur
umgeben von unzähligen anderen. Einige Figuren sind bis zur Unkenntlichkeit mit Blattgold
beklebt. Vor ihnen liegen in Gelb und Grün natürliche Blumengebinde,
aber auch viel Schmuck aus Plastik. Die Gläubigen stellen Teller mit Lebensmitteln vor
ihnen ab. Sie zünden Kerzen an und Räucherstäbchen.
Im „Reise-Know-How, Kulturschock Laos“ von Michael Schultze lese ich: „Die Tempel werden
von den Mitgliedern der Gemeinde gebaut und erhalten und manchmal in den Augen westlicher
Besucher, die oft mit dem Begriff Kirche altehrwürdige Gemäuer verbinden, zu Kitsch
modernisiert. Für die Gläubigen des Dorfes sind aber Wellblech- oder Eternit-Dach,
Keramikfliesen, bunte Plastikblumen und vielfarbig blinkende Weihnachtsbaumbeleuchtung
Ausdruck von Wohlstand und Modernität, die sie vielen Pagoden angedeihen lassen, bevor sie
sich solchen Luxus im eigenen Hause leisten. … Manche Wissenschaftler sehen genau aus
diesem Grund im Buddhismus denn auch eher eine Entwicklungsbremse, da neu errungenes
Geld nicht produktiv investiert, also zu Kapital gemacht wird, sondern lediglich die Pracht des
Dorftempels erhöht.“
Mir kommen immer mehr Fragen. Im Buddhismus gibt es keinen Gott. Das, was ich bei den
Menschen beobachte, die da in den Tempel kommen, wirkt auf mich wie Anbeten, Opfer-
Bringen. Zu wem beten sie? Ein zentraler Gedanke des Buddhismus ist die Wiedergeburt. Ich
beobachte Menschen, die in kleinen Geisterhäusern oder auf Mauern am Straßenrand ihren
Ahnen Lebensmittel hinlegen. An welche Ahnen aus welchem ihrer Leben denken sie?
Unseren laotischen Reiseführer haben wir gefragt, ob er an Wiedergeburt glaubt. Antwort: fiftyfifty.
Und dann erzählt er von seiner eigenen Geburtsgeschichte. Er wurde mit einem roten
Muttermal über dem Herzen geboren. Seine Mutter hat ihn mit der Deutung großgezogen, dass
er im vorherigen Leben Soldat war. Sein Muttermal weist auf die Schusswunde.
Man muss wohl in den Buddhismus hineingeboren sein, um seine Gedanken- und Glaubenswelt
wirklich zu verstehen. Auf dieser kurzen Reise durch Laos bestaune ich als europäische Christin
schillernde Mosaiksteinchen des Buddhismus. Sie machen mir Lust auf mehr.“
Dankbar bin ich Anne Jaborg für diesen Kurzbericht, vor allem weil ich weiß, dass er unter
Zeitdruck entstanden ist.
Nun sind oder gehen alle in Deutschland „in Urlaub“ (das bedeutet „die vom Dienstherrn
erlaubte Entfernung vom Dienst“). Also: Entfernen Sie sich. Gehen Sie weg. Legen Sie ab.
Vergessen Sie das eine oder andere. Und träumen Sie gut.
Ich weise auf den Mekong-Artikel am Ende des Heftes hin, grüße mit Klaus Ludwig, unserem
ständigen Reiseunternehmer, und freue mich über erholte Pfarrerinnen und Pfarrer dann wieder
im Dienst.
Blicke ich über dieses Sommerheft, dann spüre ich, wie stark die PASTORALBLÄTTER sich seit
der Jahrtausendwende verändert haben. Das war der Zeit geschuldet. Und ist den vielen
Autorinnen und Autoren gedankt. Whow, was machen wir Gutes!
Auch „nach den Ferien“ sind die PASTORALBLÄTTER für Sie und andere ein verlässlicher
Begleiter im „Alltagshorror“ - das ist übrigens nicht meine Begrifflichkeit. Meist habe ich mich
nach drei Wochen „Urlaub“ echt wieder gefreut auf den Dienst. Das möge Ihnen auch so gehen!