Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
2. Timotheus 1,7 (E)
Zehn - neun - acht - sieben … der Countdown läuft. Spätestens bei Null ist der Nachthimmel übersät mit explodierenden Lichtern, die funkensprühend die Dunkelheit zerreißen. Das neue Jahr hat begonnen und wird traditionell allüberall mit einem Feuerwerk begrüßt. Immer wieder ein ergreifendes Schauspiel für die Augen - wenn auch weniger für die anderen Sinne. Denn mit dem Feuerwerk einher gehen die heulenden Geräusche der Raketen, die in den Himmel steigen, der laute Knall bei der Explosion. Die Urgroßmutter hielt das nie aus, sie zog sich zurück und möglicherweise die Decke über den Kopf. Zu schlimm muss die Erinnerung an die echten Raketen, die wirklichen Explosionen der beiden Weltkriege gewesen sein. Sie kam wieder dazu, wenn alles vorbei war, wenn sich der Rauch verzogen hatte. Auch er gehört dazu, der Rauch, der Qualm, der Gestank nach Schwefel.
Das alles macht die alte Tradition des Silvester-Feuerwerks aus, und das muss auch so sein. Schließlich ging es vor langer langer Zeit darum, am Beginn des neuen Jahres die dunklen Mächte fernzuhalten. Denn die Dämonen, wie damals jeder wusste, haben es gerade da besonders leicht, wo etwas Neues beginnt, wo noch nicht alles festgelegt ist, wo noch genug Platz ist. Und wenn man nicht höllisch aufpasst, sind sie schon da und übernehmen die Kontrolle. Aber glücklicherweise lassen sich die dunklen Mächte austricksen. Auch wenn sie vor nichts Respekt haben - einen anderen Dämon respektieren sie und wagen sich nicht in sein Gebiet hinein. Darum schlugen schon die Germanen in der Nacht zu Neujahr Krach und machten einen Höllenlärm. Wenn nun doch ein vorwitziger Dämon auf der Suche nach Neuland am Beginn des neuen Jahres vorbeigekommen wäre, hätte er sofort verstanden: Hier ist schon einer von uns. Und wohl ein ziemlich mächtiger, bei dem Getöse, das er veranstaltet. Und wäre schnell von dannen gezogen.
Den Menschen in unserer Gesellschaft sind solche Ängste fremd, wir sind aufgeklärt und haben unsere eigenen Theorien über das Böse, mit dem auch wir immer noch konfrontiert werden. Die Silvester-Tradition hat sich verselbstständigt, Angst zum Jahreswechsel spielt bei den wenigsten eine Rolle.
Und doch kennt jede und jeder von uns dieses besorgte Gefühl, wenn etwas großes Neues beginnt. Der offizielle Beginn einer Lebensgemeinschaft bei der Hochzeit: Werden wir wirklich unser Leben lang füreinander da sein können? Werden sich unsere Träume erfüllen? Werden wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden? Die Konservendosen am Auto der frisch Vermählten sind auch so ein Relikt aus vergangenen Zeiten, in denen die dunklen Mächte vom jungen Glück mit Krach ferngehalten werden sollten. Die Gedanken um die Zukunft bleiben.
Und wenn dann das junge Glück komplettiert wird, plötzlich sind sie zu dritt, stürmen neue Sorgen auf sie ein: Wie geht das eigentlich, gute Eltern sein? Was wird aus uns als Paar? Wohin werden wir unsere Kinder führen?
Manch einer macht sich schwere Gedanken, wenn der Ruhestand bevorsteht. In einer Gesellschaft, in der man sich lange Zeit über die Arbeit definiert hat, ist dieser Schritt besonders groß. Es gibt Menschen, die finden darum vor Sorgen keine Ruhe mehr, können nicht mehr schlafen.
Vielleicht haben die Leiter der ersten christlichen Gemeinden Ähnliches erlebt. Eine schwere Aufgabe war ihnen gestellt, die Verantwortung war groß, manchmal vielleicht zu groß. Wer sollte da nicht ins Zaudern kommen? Schaffe ich das überhaupt? Kann ich Vorbild für die Gemeinde sein? Werde ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht? Und den Ansprüchen der anderen? Vielleicht wäre es doch besser, sich unauffällig zu verhalten, sich anzupassen, keinen Ärger zu riskieren.
Genau in solch eine Situation hinein spricht der Monatsspruch für Januar aus dem 2. Brief an Timotheus. Der Verfasser wendet sich indirekt an alle, die Verantwortung für eine Gemeinde tragen, und schreibt: Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Es ist dies die deutliche Erinnerung daran, dass wir uns niemals von unseren Sorgen und Ängsten leiten lassen sollen, sondern dass wir auf den vertrauen, der uns mit all unseren Sorgen und unserer Verantwortung trägt. Und der uns mit allem ausstattet, was wir für unser Leben und für die uns anvertraute Aufgabe brauchen: genug Kraft, Liebe und Besonnenheit. Wer darauf vertraut, der braucht zur Bewältigung seiner Aufgaben kein pompöses Feuerwerk; der krempelt einfach die Ärmel hoch und fängt an, ganz ohne Furcht und Zagen, dafür mit Kraft, Liebe und Besonnenheit.