...dachten wir doch (zwischen dem 14. November 2015 und dem März 2016)

Im März 2016 denken wir an die Täter und die drei Opfer in Jerusalem und den römischen Provinzen.

… dachten wir doch alle - oder denken es noch, wer weiß? - , die Zeit nähme ihren gemächlichen, nur gelegentlich unebenen Lauf.
… dachten wir doch an 70 Jahre Frieden.
… dachten wir doch, die Fürbitten für die Menschen im Elend und die großherzigen Spenden könnten Wunden heilen.

… sendeten sie doch - in den „kritischen“ Programmen Dokumentationen über die RAF, den verstorbenen, ehemaligen Bundeskanzler und die Klimakatastrophe.
… sendeten sie doch nach den „Brennpunkten“ Unterhaltungssendungen.

… und doch war Mitte November alles plötzlich anders.

… da sprang die Zeit auf zwölf Uhr - mitten am Abend.
… und da rollten Begriffe wie Krieg, Schlag, Angriff, Kampf, Tod über uns; wurden von den Reportern aus den bekanntesten Gesichtern geradezu herausgekitzelt.
… und da war ein Elend zu sehen, Kerzen, viele Kerzen, Blumen - viele Blumen.
… und da hatte keiner eine überzeugende Antwort.

… und da blieben zwei junge Frauen und ein junger Mann spätmorgens - am Tag danach - irgendwo in einer abgelegenen Kirche; und sie sangen ein Lied aus Taizé: Confitemini domino quoniam bonus - ein angesichts des Terrors verrücktes Lied: „Vertraut dem Herrn, er ist gut.“
… und da blieben Fragen an die islamischen Freunde.
… und da blieb die Angst vor neuem Terror.
… und da blieben Meldungen über neue, präzise Luftschläge.

Ich schreibe diese Gedanken am 16. November 2015. Der Vorlauf der PASTORALBLÄTTER ist lang. Und morgen wird es auch nicht besser. Auch übermorgen nicht, auch wenn Verhaftungen, Klärungen und Jahresrückblicke sortieren.
Ich bete. Werde weiter schreiben in meinem begrenzten Raum. Werde weder das christliche Bekenntnis glorifizieren noch den Koran verteufeln.
Ich bin nur müde der „pseudo-religiösen“ Ideologien.
Die erste Ideologie traf mich selbst: „Er betet mit den Muslimen!“
Die zweite wendete das Ziel: „Sie töten die Christen.“

Ich bete seit bald zwei Jahrzehnten (auch) mit Muslimen.
Moscheen öffnen weltweit den Weg zum Ohr Gottes. Ja, ich bin ein betender Christ. Kirchen weltweit finden auf einem nicht anderen Weg zu Gottes Ohr. Ich möchte verletzlich bleiben. Ich schreibe das in der mir möglichen „Öffentlichkeit“.

Manchmal denke ich, es sei meine eigene „Versündigung“ (eine häufige Vorhaltung meiner „frommen?“ Mutter), meine Sucht nach neuen, in der Regel noch schlimmeren Nachrichten. Das Weiterklicken auf den nächsten Sender. Der Blick auf den Videotext am Morgen.
Terror ist eine Sucht. Eine Sucht für „Täter“. Eine Sucht für „Zuschauer“. „Opfer“ sind dabei beliebig. Wer daran zweifelt, lese die Einschaltquoten oder denke an seine eigene Fernsehzeit am 14. November.

Im März 2016 denken wir an die Täter und die drei Opfer in Jerusalem und den römischen Provinzen.
Bei den Opfern handelt es sich um eine Zahl mit drei Nullen.
Zweitausend Gegner der römischen Besatzung starben am Kreuz.
Mit ihnen Jesus.
Ob uns das eigentlich in der Passionszeit so bewusst ist? Der Kreuzestod Jesu war nicht einmalig. Jesus war einer von vielen.

Für Christen ändert das nichts. Nur für die „Rechner“.
Ich war in Mathematik nie „gut“.
Ich habe immer vertraut.
Ich möchte so bleiben.
Ich zähle nicht.
Ich bete.

(Trotz Syrien-Einsatz deutscher Soldaten, trotz eines gespaltenen Deutschlands angesichts der über eine Million Flüchtlinge Ende 2015: Ich habe diese Gedanken aus dem November nicht mehr geändert. Die „Aktualität“ reicht von November 2015 bis weit über die „Iden des März 2016“.)

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