Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Andacht unterwegs

Kasualansprache, Pfarrerin Mechthild Friz

1. Station
Lied: EG 168,1 „Du hast uns, Herr, gerufen“

Es ist lange her. An eines aber erinnere ich mich noch ganz genau. Wir hatten keinen Raum. Drei Kinder und sechs Erwachsene in einem Haus, damals, als ich klein war. Man nahm es einfach hin; es war eben so. Und irgendwie war es auch schön, denn es war immer jemand da zum Reden. Es war immer jemand da zum Spielen.
Heute sehen wir die Sache anders. Ein Kinderzimmer hat groß zu sein mit Bett, Schrank, Schreibtisch, Computer und Stuhl. Und so bald wie möglich sollte jedes Kind sein eigenes Zimmer haben.
Nun aber stehen wir draußen. Unser Treffpunkt: die erste Station. Hier ist viel Raum. Unter uns Gottes Erde, die uns trägt, unser Leben lang. Über uns Gottes Himmel, lichtblau. Weite pur. Viel Raum. Genug Platz für uns alle, und keiner rückt einem auf die Pelle. Der Atem wird ruhig und tief. Wir sind unter Gottes Himmel angekommen. Denn „Gott stellt unsere Füße auf weiten Raum“. Unsere Füße stehen fest auf dem Boden. Gleich aber wollen die Füße los. Den Raum erfahren. Gleich werden sie weit ausgreifen, große Schritte machen. Den Raum ergreifen, den Raum nutzen. Und während wir den Raum spüren, erfahren wir Freiheit. Wir gehen los und gehen weiter. Die Weite, die Gott uns schenkt, erfahren wir mit unseren Füßen. Draußen ist genug Raum. Wer im Leben genug Raum und Freiheit hat, hat Lebensmöglichkeiten. Wer im Leben genug Raum und Freiheit hat, hat eine Perspektive und kann in die Zukunft denken. Alles ist offen, nach vorne. „Gott stellt unsere Füße auf weiten Raum.“ Alles ist offen, nach oben. Zum Himmel. Zu Gott.

Spaziergang zur 2. Station

2. Station
Wir sind bei unserer zweiten Station angelangt. Einen weiten Raum haben wir durchschritten! Einen Berg erklommen. Unser Blick wird weit. Singen wir die Strophe 14 aus Paul Gerhardts Sommerlied.

Lied: EG 503,14 (Mach in mir deinem Geiste Raum)

Paul Gerhardt bittet Gott mit diesen Worten um einen Raum. Er denkt jedoch nicht an einen weiten Raum, wie wir ihn heute draußen unter Gottes Himmel erfahren. Paul Gerhardt bittet um einen Innenraum. Einen Innenraum im Menschen. Unser Herz soll zum Ort werden, in dem Gottes Geist Raum nehmen soll. In dem die Stille Platz schaffen soll. Und so schafft der große Gott Raum, indem sein Geist ins kleine Menschenherz zieht. Nicht durch uns, durch Gottes Geist wird dieser Raum groß und weit. Der Herzensraum wird zum Ort, an dem der Mensch mit Gott redet. Gottes Geist nimmt Raum in uns und wohnt in uns. Gottes Geist der Hoffnung wird groß in uns, schenkt Zukunftsmut und Perspektive. Alles ist offen, für Gott. Gottes Geist wird wachsen.
Paul Gerhardt findet ein schönes sommerliches Bild da­für, was geschieht, wenn Gottes Geist im Herzen Raum genommen hat. Er will ein guter Baum für Gott werden, einer, der Früchte bringt. Was macht einen guten Baum aus? Er ist fest verwurzelt, spendet dem Müden Schatten, ist vielen Tieren eine Heimat. Er gibt sich selbst, das Holz zum Bauen oder Verbrennen. Er bringt Früchte, nach Blüte und Wachstum. Von Gott bewohnt, wird das Herz leicht und frei, es dreht sich nicht mehr um sich selbst. Der Mensch wird ein guter Baum, bringt gute Frucht, Liebe, Schutz für andere und Vergebung.
Unser Herz ist ein Raum, der von Gottes Geist bewohnt ist. Wir sind fest verwurzelt im Glauben. Und frei für Nächstenliebe und Verantwortung!

Spaziergang zur 3. Station

3. Station
Wir sind bei unserer dritten und letzten Station angelangt.
Hier werden wir nachher voneinander Abschied nehmen.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum!“ und „Mach in mir deinem Geiste Raum!“ waren die beiden Verse, über die wir nachgedacht haben.
Gott schenkt uns Raum zum Leben. Nicht nur am Sonntag oder dann, wenn wir, wie heute, gemeinsam unterwegs sind. Er schenkt uns den Raum jeden Tag neu. Den Außenraum, den wir in dieser Jahreszeit so wundervoll unter die Füße nehmen können. Den weiten Lebens-Raum, der uns Freiheit gibt. Gott schenkt uns auch den Innenraum. Jeden Tag neu kann unser Herz zum Wohnraum Gottes werden. Wir werden zum guten Baum, der Früchte bringt, die die Liebe lebt und anderen Schutz gewährt.
Glaube ist Freiheit, ein weiter Raum zum Leben. Wir sind Gottes Kinder, heute unter einem freien Himmel, frei, vorwärts zu gehen und Leben zu gestalten. Wir haben Wurzeln wie ein Baum. Und wir sind, bei aller Freiheit und bei aller Weite, nicht allein.

Lied: 168,4 (Wenn wir jetzt weitergehen)

Gebet:
Dir, Vater im Himmel, danken wir!
Du schaffst Freiraum!
Draußen, unter Deinem Himmel!
Wir danken Dir,
dass Du unsere Füße auf weiten Raum stellst.
Wir danken Dir für die Freiheit im Glauben!
Dir, Vater im Himmel, danken wir!
Du schaffst Freiraum!
Dein Geist gewinnt Raum.
Drinnen, in unseren Herzen!
Wir danken Dir für die Freiheit,
nicht länger um uns selbst kreisen zu müssen.
Wir danken Dir für die Freiheit,
Verantwortung zu übernehmen
und Zusammenleben gestalten zu können.

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