Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.
Kolosser 4,6
In meiner Bankfiliale werde ich freundlich begrüßt. Man fragt mich, was man für mich tun kann. Die Art, mit mir zu reden, klingt zuvorkommend. Die netten Redewendungen kommen geschmeidig zu mir. Selbst unangenehme Nachrichten wie die Tatsache, dass meine Kontoführungsgebühren erhöht wurden, dass Überweisungen kostenpflichtig gestaltet werden müssten, klingen nett. Und: Selbst der Bankomat zeigt freundliche Bilder und gibt mir sozusagen gerne mein Geld heraus.
Ich fahre weiter in den Supermarkt. Wenn ich mit einem suchenden Blick durch die Regale laufe, fragt man mich wieder sehr freundlich, ob man mir helfen könne. Wenn ich das Angebot dankbar annehme, führt man mich mit nettem Gesichtsausdruck, und auf mein Danke folgt ein lautes: Gerne!
Zu Hause angekommen, versorge ich meinen Einkauf und rufe meine Krankenversicherung wegen des Ablehnungsbescheids an: Nachdem ich durch freundliche automatische Vermittlungen bei einem Menschen angekommen bin, hat dieser mich natürlich bereits identifiziert und spricht mich mit meinem Namen auf freundliche Art an. Wieder die mittlerweile bekannte, nette Frage: Was kann ich für Sie tun?
„Eure Rede sei allezeit freundlich!“ - als hätten alle den Kolosserbrief bis zu Ende gelesen und auch beherzigt. Als sei unsere Welt mit oder ohne biblische Aufforderung so freundlich geworden. Ich weiß nicht, ob ich alleine damit bin, ich weiß nicht, ob ich vielleicht böse bin - aber ich muss es jetzt sagen: Ich fühle mich nicht wohl, umgeben von all der Freundlichkeit und umgeben von den vielen netten Sätzen. Ich fühle mich nicht wirklich wohl.
Ich fühle mich natürlich auch nicht wohl, wenn man mich anranzt an der Tankstelle, weil ich länger brauche, bis ich den Tankdeckel wieder drauf bekomme. Ich fühle mich natürlich auch nicht gut, wenn mir gesagt wird: Lass mich in Ruhe!
Und dennoch: Ich vermisse etwas in all der Freundlichkeit, ich suche etwas, an das ich mich anlehnen kann in unserer weich gepolsterten Umgebung. Selbst wenn ein Mensch nur nett ist, empfinde ich dasselbe. Ich vermisse etwas.
Bei der Kirche sind die Menschen auch nett, zumindest sehr oft. Sie sind freundlich, manche sprechen dich an, wenn du allein beim Kirchenkaffee stehst. Meist wird man mittlerweile auch mit Handschlag an der Tür begrüßt, aber dann ist man ja auch schon fast drin in der Kirche. Die Sprache der Kirchenmenschen ist manchmal etwas bemüht, ab und an steif, immer häufiger aber auch einfach freundlich. Das ist gut, aber ich höre Gott sei Dank noch etwas anderes.
Ich finde: Wenn das Leid beim Namen genannt und auch der Tod erwähnt wird, wenn man des Verstorbenen gedenkt und das Wort „Hass“ nicht nur gegeißelt wird; ich finde, wenn Versagen nicht nur pauschal angedeutet, sondern mit Erleben gefüllt wird, dann kommt etwas ganz Entscheidendes hinzu zu der Freundlichkeit, die wir allerorten finden.
Dann kommen Ernsthaftigkeit, Härte und Klarheit ins Leben, oder wie es die Bibel sagt: Salz. Das tut wirklich gut und ist wichtig.
Herzlich, offen empfangen zu werden und dann die ernsten Dinge mit richtigem Namen zu hören, das ist eine gute Kombination. Denn ich brauche einen Ort, an dem die Dinge ausgesprochen werden können, die schon beim Aussprechen wehtun. Und ich brauche Menschen, die das auch aushalten, wenn ich suche, wer da ist, der letztlich meine Dankbarkeit entgegennimmt.
Ich würde eine kernige Rede einem Gesäusel vorziehen. Ich würde eine direkte, offene Nennung der Härten des Lebens und die ehrliche Suche nach belastbarem Trost als Salz erleben. Wenn die anderen dabei freundlich mit mir umgehen, weiß ich das sehr zu schätzen. Wenn ich ehrliche Herzlichkeit spüre, tut das gut.
So verstehe ich, warum die Aufforderung an uns Christen heißt: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.“