Gottesdienst am 7. Oktober 2018Lobet und preiset, ihr Völker, den Herrn!

Erster Sonntag im Oktober - Erntedankfest, 1. Timotheus 4,4.5

Feststimmung auf dem Rummelplatz: Die Fahrgeschäfte sirren durch die Luft, laute Rhythmen und Melodien wechseln sich von Stand zu Stand ab, dazwischen mischen sich die kreischenden Rufe derer, die sich durch die Lüfte wirbeln lassen. Der süße Duft von frisch gebackenem Popcorn zieht in die Nase und aufgeregte Kinder, denen die Zuckerwatte noch an der Nasenspitze klebt, springen durch die Menschenmassen. Das Cannstatter Volksfest. Waren Sie schon einmal dort? Zumindest werden Sie Bilder gesehen und von dem riesigen Rummel mit den vielen Bierzelten gehört haben. Vor 200 Jahren hat dieses Volksfest das erste Mal stattgefunden. An die Idee, die dahinter stand, erinnert noch das kleine Landwirtschaftliche Hauptfest, das alle vier Jahre am Rand des Cannstatter Wasens stattfindet. 1816 litt Württemberg durch einen indonesischen Vulkanausbruch unter einer schweren Hungersnot. Die Ernteausfälle gingen im darauffolgenden Jahr zum Glück zurück und 1818 konnten die Menschen wieder gefüllte Erntewagen in ihre Scheunen fahren. Was für ein Grund zur Freude! So ließ König Wilhelm I. zum ersten Mal das „Landwirtschaftsfest zu Kannstadt“ feiern. Natürlich sollte es die Bürger beglücken. Dahinter stand aber auch die Idee, durch Pferderennen oder Preisverleihungen besonderer Leistungen in der Viehzucht die landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln und die Landwirtschaft zu reformieren.

Hungersnöte - manche unter Ihnen werden echten Hunger noch kennen. Auch die, die aus einem Krisengebiet auf dieser Erde geflohen sind, aus Dürre und Kriegsgebieten, von Hunger und Gewalt getrieben und nun unter uns leben, werden wohl nie vergessen, wie überwältigend groß das Angebot an Lebensmitteln in unserem Land ist. Worauf es uns gelüstet, das ist fast allzeit verfügbar und das meiste Gemüse und Obst für fast jedermann bezahlbar. Der reich geschmückte Erntealtar ist eine Augenweide, die an diese Fülle, die uns geschenkt ist, erinnert. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir in diesen Wohlstand geboren worden sind. Die wenigsten machen sich ernsthaft Gedanken über unsere Versorgung. Das Ministerium für Verbraucherschutz hat kürzlich dazu aufgerufen, sich für Krisensituationen einen Vorrat anzuschaffen. Wir haben uns an die glückliche Versorgungssituation gewöhnt.
Darum ist es eine wertvolle Tradition, dass wir Erntedankfest feiern und uns bewusst machen, was uns alles zum Leben gegeben ist. Wir bringen unseren Dank vor Gott und ehren ihn als Schöpfer allen Lebens. Wir öffnen die Augen für all das Gute, das unser Leben bereichert und ausmacht. Denn Gott schuf die Welt und alles Leben darin und siehe, es war sehr gut. So drückt es der Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel aus. Alles, womit Gott diese Welt ausstattet, ist gut. Dazu gehört mehr als die Nahrung, die wir täglich brauchen. Wir haben einen Körper, den geniale biologische Prozesse lebendig halten. Wir sind mit Talenten ausgestattet, besitzen Gaben, die uns Wertschätzung durch andere Menschen einbringen oder uns selber zufrieden machen, weil etwas gut gelingt. Die einen lieben ihren Sport, die anderen brauchen Kultur, Ausstellung und Kino, manchen ist der Waldspaziergang heilig und wieder andere lieben ihre Arbeit, in der sie voll aufgehen. In unseren Liedern und Gebeten klingt unser Lob an. In einer fröhlichen, genügsamen Lebenshaltung hallt er im Alltag wider.

Und zugleich regt sich da ein Unbehagen. Denn längst nicht alles ist gut in unserem Leben. Noch längst nicht sind alle Menschen auf dieser Erde satt. Und der Regen, für den wir danken, ertränkt in anderen Monaten Leben, das doch von diesem eben noch gelobten Schöpfergott selbst geschaffen sei. Durch den Konsum der modernen Gesellschaft provoziert, schwenkt manch einer um: Es gibt junge Menschen, die aus Überzeugung ihre Lebensmittel aus den Mülleimern der großen Supermärkte nach Hause schaffen. Illegal, das ist ihnen bewusst. In den Fürbitten bringen wir unsere Sorgen um diese Welt vor Gott. Wir klagen ihm die Missstände und legen ihm die Verhungernden ans Herz. In vielen Tischgebeten reihen sich Lob und Dank an die Bitte für die, die nicht genug zum Leben haben.
Unsere Welt, in der wir leben, ist wunderbar und gut. Und zugleich seufzt sie noch, und liegt in den Wehen. So bringt Paulus es zum Ausdruck: Römer 8,22-25.

Wir stehen mittendrin: Wir leben zwischen Überfluss und Verarmung, zwischen Dank und Fürbitte, zwischen freudigem Lob und der Sehnsucht nach Erfüllung. Jesus Christus lässt unsere Hoffnung auf die Vollendung durch Gott keimen. Er selbst überwindet die lebensvernichtenden Kräfte des Todes und sprengt damit die Grenzen dessen, was wir für möglich halten. Er hält die Welt in seinen Händen. Bis er wiederkommt in Herrlichkeit, ist sie auch unseren Händen anvertraut. Solange uns alles, was nicht heil ist in und an dieser Welt, anrührt, wächst Gottes Reich unter uns. Da spannt sich der Bogen vom Buch Genesis mit dem Lob über das Gut-Sein hin zur Hoffnung auf Vollendung des letzten Buches unserer Bibel, dem Buch der Offenbarung. Von diesem Bogen umspannt, feiern wir Erntedank. Unter diesem Bogen leben Christen als Glieder eines Leibes. Sie leiden mit, wenn ein Teil krank ist. Sie teilen mit denen, die hungert nach Gerechtigkeit und nach dem Brot des Lebens. Darum empfangt, so rät es uns der Predigttext, was euch von Gott gegeben wird. Traut euch, den wunderbaren Geschmack, die Düfte im Himmel und alle Genüsse anzunehmen. Erfreut euch an der Fülle, die euer Leben ausmacht. Schätzt das Geringe, das ihr aufspürt, weil es euch guttut. Wer aus Gottes Hand empfängt, wird seine Hände und Sinne benutzen und dieser Welt selbst einen wunderbaren Geschmack verleihen und zum Salz für diese Erde werden. So feiern wir und falten die Hände zum Gebet, hören auf das, was er uns befohlen hat, und heiligen, was Gott uns anvertraut.

Eingangsgebet:
Gott des Lebens,
die Sonne hat uns gewärmt.
Der Regen hat die Erde gewässert.
Die Erde gab Nährstoffe und Halt für Wurzeln.
Der Wind trug die Samen.
Du hast sie aufgehen lassen.
Du hast unsere Arbeit gesegnet.
Wir werden satt.
Wir haben im Überfluss.
Auch für morgen.
Und noch für unseren Nachbarn.
Heute loben wir dich.
Wir staunen über deine Größe,
wie genial du alles angelegt hast.
Wir freuen uns über alles, was gelungen ist, was uns erfüllt.
Es ist genug für alle da.
Wir sind noch dabei, es zu begreifen.
Öffne uns Herzen und Sinne.
Nicht nur für die Nöte unserer Nachbarn.
Auch für deine Größe, deine Fülle, die Möglichkeiten,
aus denen wir schöpfen können, um deine Gaben
zu den Menschen zu bringen,
für die du sie geschaffen hast:
Für uns selbst,
die Kinder, die nach uns geboren werden,
die Menschen, die auf der anderen Hälfte
dieser Erde leben.
Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.
Dich loben wir in Ewigkeit.

Fürbitten:
Gott des Lebens,
siehe, alles war gut, wie du es gemacht hast.
Durch Jesus Christus bitten wir dich: Erhöre unser Gebet.
Solange Menschen auf dieser Erde hungern, bitten wir um dein Erbarmen.
Solange Wasserfluten die Erde überschwemmen, wo andere dringend auf Regen warten, bitten wir um dein Erbarmen.
Solange Menschen mit Saatgut spekulieren und das grundlegendste Nahrungsmittel dieser Erde für andere unbezahlbar wird, bitten wir um dein Erbarmen.
Solange Menschen sich um Erdteile streiten, um sie auszubeuten oder Gewinn für sich daraus zu schlagen, bitten wir um dein Erbarmen.
So singen wir gemeinsam:
Kyrie/Herr, erbarme dich
Gott,
du hast uns geschaffen, nicht wir selbst,
als Erben deines Reiches.
Jesus Christus, du hast uns erlöst, uns frei gemacht,
dass wir handeln.
Heiliger Geist, du wirst uns erfüllen, bis wir uns die Hände reichen über Grenzen hinweg und alle Welt in unseren Jubel einstimme:
Alle guten Gaben, alles, was wir haben,
kommt, o Gott, von dir, wir danken dir dafür.

Psalmvorschlag: Psalm 104,1.2.5.13-15.24.27-31.35c
Evangelium: Lukas 12,15-21
Lesung: 2. Korinther 9,6-15
Liedvorschläge: 337 (Lobet und preiset, ihr Völker, den Herrn)
425 (Gib uns Frieden jeden Tag)
432 (Gott gab uns Atem)
508 (Wir pflügen und wir streuen)
510 (Freuet euch der schönen Erde)
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