Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.
Römer 8,18
Dass die unzähligen Leiden unserer Zeit nicht ins Gewicht fallen werden, ist kaum vorstellbar. Wir machen doch häufig gerade die gegenteilige Erfahrung: Wir werden geradezu erdrückt von den Eindrücken von Gewalt, Terror und Katastrophen, die wir tagtäglich über die unterschiedlichsten Medien wahrnehmen. All das scheint so gewichtig zu sein, dass wir’s gar nicht mehr aushalten können und wir deswegen diese einzelnen Ereignisse gar nicht mehr an uns heranlassen.
Und wenn es schon nicht unglaublich klänge, dann würde es doch mindestens zynisch scheinen: „Ach, all die Leiden dieser Welt, alles nicht so schlimm! Geht schon wieder vorüber!“ Was für eine hohle und lieblose Botschaft wäre es, die der Apostel Paulus so verkündigen würde.
Doch vielleicht kommen wir Paulus auf die Spur, wenn wir das „ins Gewicht fallen“ einmal wörtlich nehmen und uns eine alte Küchenwaage vorstellen - groß und unhandlich, schon etwas angerostet, mit flachen Waagschalen. Auf der einen Seite kann ich Gewichte auflegen und dann auf der anderen Seite das auflegen, was ich abwiegen möchte: Mehl, Butter, Zucker. Die Waage neigt sich immer auf der Seite, auf der das größere Gewicht liegt - das fällt also im wahrsten Wortsinn ins Gewicht.
Dabei gibt die Bewegung der Waage keine Auskünfte darüber, ob etwas an und für sich schwer oder leicht ist, sondern nur darüber, ob das eine schwerer ist als das andere oder die Dinge, die auf beiden Seiten liegen, gleich schwer sind.
Denkbar wäre eine Riesenwaage, auf der auf der einen Seite zwei LKW und auf der anderen Seite nur ein LKW Platz fände. Die Waage würde sich auf die Seite der beiden Fahrzeuge neigen. Und doch wäre es Unsinn zu behaupten, der eine LKW sei an und für sich leicht, weil er die Waage nicht nach unten bewegt hat. Nein, er ist nur leichter, weil das andere so viel Gewicht hat.
So gesehen ist dieses Wort des Apostels Paulus weniger eine Aussage über die Leiden dieser Welt und schon gar nicht dessen Verharmlosung, sondern vielmehr eine Beschreibung der Herrlichkeit, von der da die Rede ist.
Kann es das geben? Etwas Herrliches, das so groß und so stark ist, dass es schwerer wiegt als alles Leid dieser Welt? Es ist kaum vorstellbar. Und doch teilt der Apostel Paulus mit uns diese Hoffnung, dass es so etwas gibt. Dass da etwas von Gott her auf uns wartet, das so sehr ins Gewicht fällt, dass es uns bei all dem Schweren in der Welt leichter ums Herz wird.
Natürlich: Das ist kaum zu glauben. Es ist nichts, wofür wir Bilder haben. Und auch nichts, wofür wir aus unserem Erfahrungsschatz schon Parallelen hervorziehen könnten, frei nach dem Motto: „Ja, so etwas Ähnliches habe ich schon einmal erlebt!“ Nein, das ist ganz neu, was da kommt. Ganz neu und ganz gewichtig - aber doch offensichtlich überwältigend gut und erlösend.< br="">
Und wie schön wäre das, ja wie schön ist das, wenn eine Zeit kommt, in der die Nachrichten keine Horrorbotschaften mehr bringen. Wenn nicht mehr die schlechten Schlagzeilen, sondern Gutes weitererzählt wird. Wenn Menschen durchschnaufen können und gelöst seufzen können: „Endlich ist es vorbei! Und wie schön ist es jetzt!“
Die Hoffnung auf solche Herrlichkeit ist aber ein zartes Pflänzchen. Und jede schlechte Nachricht aus unserem Bekanntenkreis oder der großen weiten Welt ist dazu geeignet, sie plattzudrücken.
Wie gut, dass der Apostel Paulus uns daran erinnert, dass solche Hoffnung nicht aus uns allein wachsen muss, sondern dass mit dem Heiligen Geist ein Gärtner am Werk ist, der geknickte Hoffnungspflanzen hegt und pflegt. Wie gut, dass da einer ist, „der unserer Schwachheit aufhilft“
(V. 26) und die Hoffnung in uns weckt, dass nicht immer alles bleibt, wie es ist, und eine neue Zeit kommt, in der das Gute und Heilvolle viel mehr ins Gewicht fällt als das, was uns heute Not macht.