Der Monatsspruch im Juli 2019

Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.

Jakobus 1,19

Man kann sich dem kaum entziehen. Im Zeitalter der Dauerkommunikation wird getwittert und gepostet, dass sich die Bildschirmbalken biegen. So mancher Politiker hat schon bereut, dass er in ein schnell hingehaltenes Mikrofon sprechen musste, ohne vorher überlegen zu können. So mancher Freundeskreis hat sich schon heillos zerstritten, weil der eine auf die WhatsApp der anderen nicht gleich oder nicht adäquat reagiert hat. Ich kenne ein Kita-Team, das sich dazu entschieden hat, die WhatsApp-Gruppe endgültig zu beenden. Weil es nur Stress gab und Missverständnisse. 
Andererseits lerne ich von den Konfirmandinnen und Konfirmanden. Die Chance von WhatsApp und anderen Messenger-Diensten könnte darin liegen, einen kontrollierten Dialog zu führen. Die jugendlichen Profis erklären mir, dass man und frau nicht gleich reagieren muss. Sondern in Ruhe überlegen kann, wie die Reaktion aussehen soll. Dahinter steckt die Idee eines „kontrollierten Dialogs“, den die Jugendlichen „in echt“ in der Schule trainiert hatten. Die beiden Gesprächspartner haben die Aufgabe, sich dabei jeweils so zu verständigen, dass der eine sicherstellt, vom anderen auch wirklich verstanden worden zu sein. Bei einigen der Jugendlichen führte das dazu, dass sie einander immer erst nach kurzem Überlegen den nächsten Satz auf dem Smartphone schickten. Eine gute Form des kritischen Umgangs mit dem Medium, die sie mir augenzwinkernd beibringen.
So oder so, „in echt“ oder am Smartphone geht es um eine alte Weisheit, die mit dem Hören, dem Reden und den großen Emotionen sehr viel zu tun hat. Davon redet auch der Jakobusbrief. Weil es Sätze gibt im Leben jedes Menschen, die sich irgendwie ins Herz einbrennen. Vor allem in verletzlichen Zeiten wie der Pubertät oder dem Berufseinstieg. Ich erinnere mich an solche brennenden Worte: „Jetzt hab dich nicht so!“ nach dem blöden Fahrradsturz. Oder: „Ich hoffe, Sie sind kein sanfter Arsch!“ des älteren Kollegen zu mir als Berufsanfänger. Sie gehören wohl in genau diese Kategorie. Scham, Zorn, Ohnmacht, das ganze Programm läuft dann in einem ab. 
Doch es gibt Gott sei Dank auch die anderen Sätze im Leben. Worte, die mich gewärmt haben. „Ich traue dir das zu!“ oder „Ich will das noch genauer verstehen“. Solche Sätze haben mich für mein Gegenüber neu geöffnet. Und für das Potenzial, das in mir steckt. Jemand sieht mich, interessiert sich für mich, hört mir gründlich zu. Sätze, die Leib und Seele wohltun. Die nicht Zorn, sondern Mut hervorrufen. Weil der andere langsam gemacht hat mit den schnellen Lösungen. Auch solche Sätze haben sich in mein Herz eingebrannt: „Ich bin an deiner Seite.“ Und: „Ich verzeihe dir.“ Das tut gut. 
Unsere Herzen, diese verwundbaren kleinen Wunderwerke der Schöpfung, reagieren sensibel auf das, was Menschenmünder einander zumuten und Ohren aufnehmen.

Die biblische Weisheit lädt dazu ein, sich dem anderen direkt zuzuwenden, genau zuzuhören. Und, was wir heute als eine Art paradoxe Intervention hören, „langsam im Zorn“ zu sein. Diesen Hinweis lese ich im Sinne kreativer Konflikt-Bearbeitung. Hier plädiert einer für die Strategie der Deeskalation. In der Praxis vielleicht der mühsamste Teil dieses weisen Spruches. Wenn langsam der Zorn in mir aufsteigt, dann ist es dran, auch mit mir selbst verstehend und einfühlend umzugehen, um nicht im eigenen Zorn stecken zu bleiben. Manchmal hilft aber auch das Selbstgespräch nicht weiter. Und der Klick auf eines der vielen angebotenen Emojis wäre jetzt sehr verlockend. Wenn es so weit gekommen ist, hilft mir am besten das Gespräch mit einem Menschen, dem ich vertraue und der mit gut zuhört.

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