Alexander Deeg, Christian Lehnert (Hg.), Stille. Liturgie als Unterbrechung

Es ist ein Kreuz mit der Stille im Gottesdienst. Die Liturgen sind unsicher und beenden die Stille spätestens nach dem dritten Huster. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden beginnen zu kichern, während die Geübten ihre Gedanken sortieren … Braucht die Stille im Gottesdienst Übung?
Einer der mir wesentlichen Texte von Reiner Kunze ist der großartige Dreizeiler mit der Überschrift „Einladung zu einer Tasse Jasmintee“:
„Treten Sie ein, legen Sie Ihre
traurigkeit ab, hier
dürfen Sie schweigen“
(sensible Wege, Frankfurt 2003, S. 105)

Ich habe einmal geschrieben, ich wünschte mir diesen Text gelegentlich über die Eingangstüren unserer Kirchen. Was sind wir so laut, so unterhaltsam, so wortgewandt und so aktionistisch geworden.
Ja, Stille – nicht nur im Gottesdienst – braucht Übung, Begleitung, Vorbilder.
Großartig, dass sich eine liturgiewissenschaftliche Fachtagung 2019 drei Tage lang in Leipzig der Stille widmete.
„Liturgiewissenschaftlerinnen und Liturgiewissenschaftler, Kultur­wissenschaftler, Musikerinnen und Musiker, katholische, orthodoxe und evangelische Theologinnen und Theologen waren drei Tage versammelt, um miteinander über ein Phänomen zu sprechen, bei dem die Worte an ihre Grenze kommen: Stille.
Über die Stille zu reden erwies und erweist sich als ebenso paradox wie anregend – und wir hoffen, dass sich diese Erfahrung des Leipziger Fachgesprächs auch in diesem Buch spiegelt, in dem die Texte einen wei­ten Bogen von Stille in Literatur und Musik, über Mystik und Liturgische Bewegungen, Systematische Theologie, Poimenik und Liturgiewissenschaft schlagen. Praktische Ideen und Vorschläge zur Gestaltung finden sich ebenso in diesem Band wie grundlegende Impulse zur Reflexion über die Grenze der Worte als Ursprung des Unsagbaren.“
Vom ersten Beitrag (Alexander Deeg, Stille – und der Gottesdienst in der Kirche des Wortes) bis zum expressis verbis praktischen Beitrag (Hanns Herner, Stille als Dimension evangelischer Gottesdienste), vom systematischen Beitrag (Oswald Bayer, Eine systematisch-theologische Bestimmung auf das sacrum silentium) bis zum letzten Beitrag des Bandes (Christian Lehnert, Von der Stille sprechen?) ein großartiger, lesenswerter Sammelband. Lehnert schreibt am Ende: „Die größte Gabe der Kirche ist [...], dass man in ihr gemeinsam schweigen kann. In der Stille wird das Wort, der Logos wieder beglau­bigt.“ (S. 175)

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