Wegducken hilft da nicht. „Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt.“ So ruft es die 17-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg seit gut einem Jahr den Mächtigen dieser Welt entgegen. Ihre Auftritte, etwa beim Weltwirtschaftstreffen in Davos oder bei der UN-Vollversammlung in New York, sind von so hoher Wirkung, dass die Mächtigen dieser Welt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Thunberg wurde zum Gesicht einer neuen Bewegung, die sich für Klimaschutz und gegen die menschengemachte Bedrohung unserer Schöpfung engagiert. Man kann sie in ihrer Kompromisslosigkeit oder dem moralischen Absolutheitsanspruch gewiss auch kritisieren. Ihr Erfolg liegt aber auch daran, dass sie das Gefühl auf den Punkt bringt, dass in diesen Menschheitsfragen, etwas grundsätzlich falsch läuft. In New York hat sie dies selbst thematisiert: „Das ist alles falsch. Ich sollte nicht hier sein.“ Denn eigentlich sollte sie das normale Leben eines schwedischen Teenagers führen. Statt ihrer hätten sich die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen schon länger und viel intensiver um diese Fragen kümmern müssen. Die Problemanzeigen sind ja nicht neu. Aber es braucht offensichtlich eine solche Symbolfigur wie Greta Thunberg, um – nicht zum ersten Mal – die Menschen wachzurütteln. Ich teile gewiss nicht jede ihrer Ansichten, aber ich bewundere ihren Mut.
„Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt.“ Angst deckt auf, was mich tief im Inneren bewegt. Aber Angst und Panik sind keine guten Ratgeber zum Handeln. Natürlich, eine Deadline kann mir helfen, mich zu disziplinieren, eine Aufgabe noch rechtzeitig anzugehen. Aber nachhaltiges Handeln kann nicht vorrangig aus Angst und Panik resultieren, sondern braucht ebenso Besonnenheit und Zukunftsperspektive.
Jesus ruft am Ende einer eschatologischen Weckrede: „Wachet.“ Bevor er in das Leid und in den Tod geht, sitzt er noch einmal mit den Seinen zusammen. Er wirft einen Blick auf das Schicksal der Gemeinde und das von ihr erwartete Vergehen der Welt. Die Theologie hat sich seit jeher schwergetan mit diesen Texten über letzte Dinge und Weltuntergang. Wörtlich genommen und zu falschen Zwecken missbraucht, können sie unendlichen politischen wie seelischen Schaden anrichten, kann die Frohbotschaft rasch zur Drohbotschaft verkommen. Legt man sie dagegen als Ausdruck vergangener Zeiten beiseite, reduziert man den christlichen Glauben um das Welt- und Lebensverändernde und verbleibt in reiner Diesseitigkeit. Dabei scheinen die biblischen Bilder von Eschatologie und Apokalyptik nicht nur mit Blick auf diverse Hollywood-Blockbuster, sondern auch bezüglich mancher Klimaprojektionen realer, als uns lieb sein kann.
„Wachet!“ Jesu Ruf nimmt uns in die Verantwortung. Er verdrängt nicht die Gefahren, die die Welt bereithält. Angst und Anfechtungen werden beim Namen genannt. Leid, Verfolgung, das Vergehen der Welt, das sind die Ängste, mit denen sich Jesu Gemeinde in ihrer Zeit konfrontiert sah. Aber Jesus geht es nicht um vordergründige Angst oder Panik, sondern um Trost, ja Aufmunterung. Hinter allem Weh und Ach steht am Ende ein großer Optimismus. Gottes Sache siegt. Nicht die Angst, sondern die Hoffnung behält das letzte Wort. Deshalb lohnt sich das Warten, das Ausharren und das Engagement in dieser Welt. Deshalb kann Jesus selbst seinen Weg der Passion gehen.
„Wachet!“ So ruft Jesus es uns zu, in unser Leben und unsere unerlöste und von uns selbst bedrohte Welt. Er ruft als Tröster und als Mahner. Wegen des Trostes und der Mahnung können wir der biblischen Bilder von Eschatologie und Apokalyptik nicht entbehren. Sie bewahren uns vor reiner Panik und gedankenvergessenem Verdrängen. Sie geben uns Ruhe und Halt sowie Vertrauen darauf, dass wir bei Gott geborgen sind. Aber ebenso rufen sie uns zur Verantwortung für unser Leben und diese Welt. Sie kann uns nicht egal sein, weil sie Gottes gute Schöpfung ist. Sie ist alle Sorge und allen Einsatz wert. Wegducken gilt da nicht.