Norbert Gstrein schreibt in seinem lesenswerten neuen Roman „Als ich jung war“ (München 2019, S. 12f): „Ich war damit aufgewachsen, im Winter das Hotel und die Skischule, im Sommer die Hochzeitsfabrik, wie zuerst unser Vater sie ironisch nannte, wie sie dann aber von allen ernsthaft tituliert wurde, ohne dass dadurch die Anziehungskraft litt. Man heiratete im Schloss, auch wenn es in Wirklichkeit keines war und nur so hieß, man heiratete bei unserem Vater, der diese Position irgendwann ein für alle Mal besetzt hatte. Kaum jemand aus den umliegenden Dörfern schlug sein Angebot aus, aber die Leute kamen auch aus der Stadt, entschieden sich für eine der drei Möglichkeiten, Standard, Medium oder Extraklasse, und ließen sich von unserem Vater beraten, der für alles garantierte, nur nicht für das Glück. Er warb leicht anzüglich damit, dass er den Brautpaaren an ihrem Freudentag abnehmen würde, was er ihnen abnehmen könne, damit sie für das, was er ihnen nicht abnehmen konnte, Kopf und Hände frei hätten. Dazu versprach er ihnen sogar schönes Wetter oder bei Schlechtwetter einen satten Rabatt, und sie wählten ein oder zwei kleine Extravaganzen, die Fahrt in der offenen Kutsche die Serpentinen zu dem kleinen Plateau herauf, von dem sich der sogenannte Schlossberg mit der Burgruine aus dem vierzehnten Jahrhundert erhebt, das Engelsspalier mit dem geflügelten Kinderchor oder den Schleiertanz. Den hatte unser Vater allerdings erst in den allerletzten Jahren angeboten, und es war ein zweifelhaftes Erlebnis, zuzuschauen, wie sich eine Schauspielerin aus dem Landestheater auf dem Boden wand und räkelte, als hätte sie den Verstand verloren.“
Mit den Jahren wird mir immer deutlicher, vor allem, nachdem die eigenen Kinder auf der Suche nach einer „location“ für die Hochzeitsfeier immense Suchaktionen absolviert haben, wie wichtig der Ort ist, an dem „Kasualfeste“ stattfinden.
Passt der Ort zu uns? Wie ist das Essen? Welcher Termin ist noch frei? Gibt es Übernachtungsmöglichkeiten? Wie viele Gäste kommen unter? Können wir das Fest finanzieren? Wie sind die Zufahrtsmöglichkeiten? Wie soll die „Deko“ aussehen? etc.
Oft kommt erst nach der Klärung der „location“ die Terminabsprache mit Pfarrer und Pfarrerin, die Suche nach einer Kirche in der Nähe und ein ausführlicherer Gesprächstermin.
Ich habe für die Juni-Ausgabe der PASTORALBLÄTTER eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus der Autoren- und Leserschaft angefragt, ob sie Erfahrungen haben mit Taufen an einem „nicht üblichen Ort“. Ich erhielt erfreulicherweise eine Vielzahl von Hinweisen, Angeboten und Berichten. Daraus ergeben sich in dieser Ausgabe fünf ausgearbeitete Kasualien, die Erfahrungen mit unterschiedlichsten Orten für Taufen – vom Pool bis zum Meer – reflektieren und darstellen.
Dankbar für die kreative Resonanz auf meine Anfrage, werden wir auch bei anderen Themen immer wieder einmal eine „Sammelanfrage“ starten, so schon geschehen für die Juli/August-Ausgabe (Schulgottesdienste), für September (Gemeindenachmittage) und Oktober („komplizierte“ Bestattungen).
Herzlich danke ich allen „Beteiligten“ für Anregungen, Hinweise und Beiträge.
Gerhard Engelsberger
Die PASTORALBLÄTTER haben auf ihrer Homepage die stetig wachsende Materialbörse „Kirche in Zeiten von Corona“ mit Predigten, Textbausteinen, Gebeten und Aktionen ins Leben gerufen. Die meisten Texte sind frei zugänglich – so möchten wir in dieser Situation Kolleginnen und Kollegen praktisch unterstützen. Die ausformulierten Predigten können Sie im Digital-Abo lesen – falls Sie noch keinen Zugang haben, bekommen Sie diesen als Print-Abonnent für jährlich nur € 4,40 zusätzlich.